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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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len und Geschlechtsregister behalten kann, ist
kein Dichter --

Lieber Vater hier macht die liebe Mut-
ter eine Ausnahme. Anlange zur Hauspoesie
ist ihr nicht abzusprechen und wer ihr kein
gutes maßives Gedächtniß zugestehen wolte,
dem vergäße sie diese Beschuldigung selbst im
Himmel nicht, und wenn's auch nur blos
darum wäre um ihr Gedächtniß zu bewei-
sen -- Was sie behält ist eisern "meine
Mutter wußte nicht nur alle mögliche Lieder
aus und inwendig; sondern besaß auch eine
so genaue Lebensbeschreibung von vielen Lie-
derdichtern daß sie beynahe den Schöpfungs-
tag von jeder Strophe wußte. Es war ihr
von vielen Jahr und Tag bekanndt und was
das allermeiste war sie konnte sagen was jede
ihrer Herzensstrophen bei diesem oder jenem
für eine Wundercur gemacht hatte.

Mein Vater, der von dergleichen Din-
gen nicht das mindeste wußte, hörte ihr (ohne
Zweifel von dem Zeitpunkt da er den zweiten
Diskant zu singen anfing) andächtig zu, und
schien an ihrer Zufriedenheit über dieses ge-
neigte Gehör Theil zu nehmen.

Die singende christliche Hausgemeine war
noch an den Worten

und

len und Geſchlechtsregiſter behalten kann, iſt
kein Dichter —

Lieber Vater hier macht die liebe Mut-
ter eine Ausnahme. Anlange zur Hauspoeſie
iſt ihr nicht abzuſprechen und wer ihr kein
gutes maßives Gedaͤchtniß zugeſtehen wolte,
dem vergaͤße ſie dieſe Beſchuldigung ſelbſt im
Himmel nicht, und wenn’s auch nur blos
darum waͤre um ihr Gedaͤchtniß zu bewei-
ſen — Was ſie behaͤlt iſt eiſern „meine
Mutter wußte nicht nur alle moͤgliche Lieder
aus und inwendig; ſondern beſaß auch eine
ſo genaue Lebensbeſchreibung von vielen Lie-
derdichtern daß ſie beynahe den Schoͤpfungs-
tag von jeder Strophe wußte. Es war ihr
von vielen Jahr und Tag bekanndt und was
das allermeiſte war ſie konnte ſagen was jede
ihrer Herzensſtrophen bei dieſem oder jenem
fuͤr eine Wundercur gemacht hatte.

Mein Vater, der von dergleichen Din-
gen nicht das mindeſte wußte, hoͤrte ihr (ohne
Zweifel von dem Zeitpunkt da er den zweiten
Diskant zu ſingen anfing) andaͤchtig zu, und
ſchien an ihrer Zufriedenheit uͤber dieſes ge-
neigte Gehoͤr Theil zu nehmen.

Die ſingende chriſtliche Hausgemeine war
noch an den Worten

und
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[36/0044] len und Geſchlechtsregiſter behalten kann, iſt kein Dichter — Lieber Vater hier macht die liebe Mut- ter eine Ausnahme. Anlange zur Hauspoeſie iſt ihr nicht abzuſprechen und wer ihr kein gutes maßives Gedaͤchtniß zugeſtehen wolte, dem vergaͤße ſie dieſe Beſchuldigung ſelbſt im Himmel nicht, und wenn’s auch nur blos darum waͤre um ihr Gedaͤchtniß zu bewei- ſen — Was ſie behaͤlt iſt eiſern „meine Mutter wußte nicht nur alle moͤgliche Lieder aus und inwendig; ſondern beſaß auch eine ſo genaue Lebensbeſchreibung von vielen Lie- derdichtern daß ſie beynahe den Schoͤpfungs- tag von jeder Strophe wußte. Es war ihr von vielen Jahr und Tag bekanndt und was das allermeiſte war ſie konnte ſagen was jede ihrer Herzensſtrophen bei dieſem oder jenem fuͤr eine Wundercur gemacht hatte. Mein Vater, der von dergleichen Din- gen nicht das mindeſte wußte, hoͤrte ihr (ohne Zweifel von dem Zeitpunkt da er den zweiten Diskant zu ſingen anfing) andaͤchtig zu, und ſchien an ihrer Zufriedenheit uͤber dieſes ge- neigte Gehoͤr Theil zu nehmen. Die ſingende chriſtliche Hausgemeine war noch an den Worten und

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/44>, abgerufen am 21.11.2024.