Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

discimus ist ein großes und wahres Wort!
In gewisser Art lernen wir mehr von den
Kindern als die Kinder von uns. Wer ein
Auge hat lernt hier den Menschen. Wenn
die Sonne aufgeht, kann sie der Blick um-
fassen. Wer kann in sie sehen wenns hoch-
mittag ist? --

Wenn ich auf Etwas durch aus und
durch all' bestand überlies mich mein Vater
meinem Eigensinn, und ich sahe aus den
natürlichen Folgen wie thöricht ich gehandelt
da ich seinen Fingerzeig aus der Obacht ge-
lassen. Er behauptete daß keine natürliche
Strafe gleich einer Todesstrafe wäre, und
so lies er nach dieser großen Fürschrift, auch
mich nur durch Buße bekehren und leben.
Ich verbrandt mich am Licht ich verdarb mir
den Magen unterm Pflaumenbaum. Wie
der himmlische Vater es mit uns macht,
pflegt' er zu sagen so solten es auch leibliche
Väter machen. Welch einen Einfluß diese
Lehrart auf mich gehabt ist unaussprechlich --
Ich lernte Natur die wir! leider bei dem
allgemeinen Fall oder Vorfall der Menschen
lernen müßen. Ich lernte sie im kleinen und
im großen. Wenn ein Genie allein auf
dem Lande geht pflegte mein Vater zu sagen,

bleibt

diſcimus iſt ein großes und wahres Wort!
In gewiſſer Art lernen wir mehr von den
Kindern als die Kinder von uns. Wer ein
Auge hat lernt hier den Menſchen. Wenn
die Sonne aufgeht, kann ſie der Blick um-
faſſen. Wer kann in ſie ſehen wenns hoch-
mittag iſt? —

Wenn ich auf Etwas durch aus und
durch all’ beſtand uͤberlies mich mein Vater
meinem Eigenſinn, und ich ſahe aus den
natuͤrlichen Folgen wie thoͤricht ich gehandelt
da ich ſeinen Fingerzeig aus der Obacht ge-
laſſen. Er behauptete daß keine natuͤrliche
Strafe gleich einer Todesſtrafe waͤre, und
ſo lies er nach dieſer großen Fuͤrſchrift, auch
mich nur durch Buße bekehren und leben.
Ich verbrandt mich am Licht ich verdarb mir
den Magen unterm Pflaumenbaum. Wie
der himmliſche Vater es mit uns macht,
pflegt’ er zu ſagen ſo ſolten es auch leibliche
Vaͤter machen. Welch einen Einfluß dieſe
Lehrart auf mich gehabt iſt unausſprechlich —
Ich lernte Natur die wir! leider bei dem
allgemeinen Fall oder Vorfall der Menſchen
lernen muͤßen. Ich lernte ſie im kleinen und
im großen. Wenn ein Genie allein auf
dem Lande geht pflegte mein Vater zu ſagen,

bleibt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="64"/><hi rendition="#aq">di&#x017F;cimus</hi> i&#x017F;t ein großes und wahres Wort!<lb/>
In gewi&#x017F;&#x017F;er Art lernen wir mehr von den<lb/>
Kindern als die Kinder von uns. Wer ein<lb/>
Auge hat lernt hier den Men&#x017F;chen. Wenn<lb/>
die Sonne aufgeht, kann &#x017F;ie der Blick um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en. Wer kann in &#x017F;ie &#x017F;ehen wenns hoch-<lb/>
mittag i&#x017F;t? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wenn ich auf Etwas durch aus und<lb/>
durch all&#x2019; be&#x017F;tand u&#x0364;berlies mich mein Vater<lb/>
meinem Eigen&#x017F;inn, und ich &#x017F;ahe aus den<lb/>
natu&#x0364;rlichen Folgen wie tho&#x0364;richt ich gehandelt<lb/>
da ich &#x017F;einen Fingerzeig aus der Obacht ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Er behauptete daß keine natu&#x0364;rliche<lb/>
Strafe gleich einer Todes&#x017F;trafe wa&#x0364;re, und<lb/>
&#x017F;o lies er nach die&#x017F;er großen Fu&#x0364;r&#x017F;chrift, auch<lb/>
mich nur durch Buße bekehren und leben.<lb/>
Ich verbrandt mich am Licht ich verdarb mir<lb/>
den Magen unterm Pflaumenbaum. Wie<lb/>
der himmli&#x017F;che Vater es mit uns macht,<lb/>
pflegt&#x2019; er zu &#x017F;agen &#x017F;o &#x017F;olten es auch leibliche<lb/>
Va&#x0364;ter machen. Welch einen Einfluß die&#x017F;e<lb/>
Lehrart auf mich gehabt i&#x017F;t unaus&#x017F;prechlich &#x2014;<lb/>
Ich lernte Natur die wir! leider bei dem<lb/>
allgemeinen Fall oder Vorfall der Men&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#fr">lernen</hi> mu&#x0364;ßen. Ich lernte &#x017F;ie im kleinen und<lb/>
im großen. Wenn ein Genie allein auf<lb/>
dem Lande geht pflegte mein Vater zu &#x017F;agen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bleibt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0072] diſcimus iſt ein großes und wahres Wort! In gewiſſer Art lernen wir mehr von den Kindern als die Kinder von uns. Wer ein Auge hat lernt hier den Menſchen. Wenn die Sonne aufgeht, kann ſie der Blick um- faſſen. Wer kann in ſie ſehen wenns hoch- mittag iſt? — Wenn ich auf Etwas durch aus und durch all’ beſtand uͤberlies mich mein Vater meinem Eigenſinn, und ich ſahe aus den natuͤrlichen Folgen wie thoͤricht ich gehandelt da ich ſeinen Fingerzeig aus der Obacht ge- laſſen. Er behauptete daß keine natuͤrliche Strafe gleich einer Todesſtrafe waͤre, und ſo lies er nach dieſer großen Fuͤrſchrift, auch mich nur durch Buße bekehren und leben. Ich verbrandt mich am Licht ich verdarb mir den Magen unterm Pflaumenbaum. Wie der himmliſche Vater es mit uns macht, pflegt’ er zu ſagen ſo ſolten es auch leibliche Vaͤter machen. Welch einen Einfluß dieſe Lehrart auf mich gehabt iſt unausſprechlich — Ich lernte Natur die wir! leider bei dem allgemeinen Fall oder Vorfall der Menſchen lernen muͤßen. Ich lernte ſie im kleinen und im großen. Wenn ein Genie allein auf dem Lande geht pflegte mein Vater zu ſagen, bleibt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/72
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/72>, abgerufen am 24.11.2024.