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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mal abzulegen: wenn ich mit jemand re-
den soll, muß ich leibhaftig sehen; an
Gott glaub ich, und ich kann ihn also
nicht anreden. --
Pastor. Wir beten, um Gott und an Gott
desto festerer zu glauben. -- Glaub'
und Gebet sind sich so nahe verwandt. --
Herr v. G. lieber Pastor! man nennt oft
den einen Seher, der ohne zu sehen sich
einbildet, daß er sähe. Das sind Sie,
mit Ihrer Erlaubniß, über diese Lehre.
Dem Glauben ist das Wünschen angemes-
sen. Wünschen kann ich also! beten aber
nicht.
Pastor. Wünschen Sie sich nicht, was Sie
von oben herab beten, was Sie von Gott
bitten?
Herr v. G. Recht Pastor! allein ein Wunsch
ist nicht ein Gebet. Laßen Sie uns ins
gemeine Leben gehen. Wenn ich in Ge-
sellschaft sag', ich wünsche herzlich, daß
Gott meiner Schwester hülfe, wer findet
dies nicht wohlanständig! wer nicht brü-
derlich! Sie wissen doch, meine arme
Schwester kann sich nicht nach dem Wo-
chenbett' erholen. Ich fürchte, ich
fürchte!
mal abzulegen: wenn ich mit jemand re-
den ſoll, muß ich leibhaftig ſehen; an
Gott glaub ich, und ich kann ihn alſo
nicht anreden. —
Paſtor. Wir beten, um Gott und an Gott
deſto feſterer zu glauben. — Glaub’
und Gebet ſind ſich ſo nahe verwandt. —
Herr v. G. lieber Paſtor! man nennt oft
den einen Seher, der ohne zu ſehen ſich
einbildet, daß er ſaͤhe. Das ſind Sie,
mit Ihrer Erlaubniß, uͤber dieſe Lehre.
Dem Glauben iſt das Wuͤnſchen angemeſ-
ſen. Wuͤnſchen kann ich alſo! beten aber
nicht.
Paſtor. Wuͤnſchen Sie ſich nicht, was Sie
von oben herab beten, was Sie von Gott
bitten?
Herr v. G. Recht Paſtor! allein ein Wunſch
iſt nicht ein Gebet. Laßen Sie uns ins
gemeine Leben gehen. Wenn ich in Ge-
ſellſchaft ſag’, ich wuͤnſche herzlich, daß
Gott meiner Schweſter huͤlfe, wer findet
dies nicht wohlanſtaͤndig! wer nicht bruͤ-
derlich! Sie wiſſen doch, meine arme
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[136/0142] mal abzulegen: wenn ich mit jemand re- den ſoll, muß ich leibhaftig ſehen; an Gott glaub ich, und ich kann ihn alſo nicht anreden. — Paſtor. Wir beten, um Gott und an Gott deſto feſterer zu glauben. — Glaub’ und Gebet ſind ſich ſo nahe verwandt. — Herr v. G. lieber Paſtor! man nennt oft den einen Seher, der ohne zu ſehen ſich einbildet, daß er ſaͤhe. Das ſind Sie, mit Ihrer Erlaubniß, uͤber dieſe Lehre. Dem Glauben iſt das Wuͤnſchen angemeſ- ſen. Wuͤnſchen kann ich alſo! beten aber nicht. Paſtor. Wuͤnſchen Sie ſich nicht, was Sie von oben herab beten, was Sie von Gott bitten? Herr v. G. Recht Paſtor! allein ein Wunſch iſt nicht ein Gebet. Laßen Sie uns ins gemeine Leben gehen. Wenn ich in Ge- ſellſchaft ſag’, ich wuͤnſche herzlich, daß Gott meiner Schweſter huͤlfe, wer findet dies nicht wohlanſtaͤndig! wer nicht bruͤ- derlich! Sie wiſſen doch, meine arme Schweſter kann ſich nicht nach dem Wo- chenbett’ erholen. Ich fuͤrchte, ich fuͤrchte!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/142>, abgerufen am 27.11.2024.