wahr wäre, -- und die Hand des Senioris Familiä hager und ungestaltet mit langen un- abgeschnittenen Nägeln. -- Wie schrecklich -- Nein -- nicht für hundert Seckel Sil- bers, das im Kauf gang und gäb' ist, nicht für tausend! -- Für dich aber, Seliger, machet die Thür' unseres Kirchhofs weit und die Thöre hoch, damit er bey uns einziehe! -- Wenn der Fall nicht so, wie er würklich ist, gewesen wäre, wir hätten keinen Dreyer für dieses Plätzchen genommen. -- Die Kirche dankt dir, lieber Seliger, für das, was sie durch meine Hand erhalten hat, und ich danke dir für das, so uns allen zugewendet worden, bis auf den letzten Träger. Ju- das verrieth wegen dreyßig Silberlinge seinen Meister. -- Hier sind freylich nur vierzig Kupferlinge, und es ist allerdings mehr Schein als Seyn dran; indeßen wie bald wird sein abgetragener Leib in einer Hand Raum haben. -- Diese Handvoll ehrliche Erde giebt er uns ohnehin als Agio von den vierzig Gulden. --
Uns allen lehre der Herr unseres Lebens bey dieser Gelegenheit unser Schein und Seyn, daß heißt: er lehr uns wohl beden- ken, daß wir nicht wißen, wenn der Herr
kommt
wahr waͤre, — und die Hand des Senioris Familiaͤ hager und ungeſtaltet mit langen un- abgeſchnittenen Naͤgeln. — Wie ſchrecklich — Nein — nicht fuͤr hundert Seckel Sil- bers, das im Kauf gang und gaͤb’ iſt, nicht fuͤr tauſend! — Fuͤr dich aber, Seliger, machet die Thuͤr’ unſeres Kirchhofs weit und die Thoͤre hoch, damit er bey uns einziehe! — Wenn der Fall nicht ſo, wie er wuͤrklich iſt, geweſen waͤre, wir haͤtten keinen Dreyer fuͤr dieſes Plaͤtzchen genommen. — Die Kirche dankt dir, lieber Seliger, fuͤr das, was ſie durch meine Hand erhalten hat, und ich danke dir fuͤr das, ſo uns allen zugewendet worden, bis auf den letzten Traͤger. Ju- das verrieth wegen dreyßig Silberlinge ſeinen Meiſter. — Hier ſind freylich nur vierzig Kupferlinge, und es iſt allerdings mehr Schein als Seyn dran; indeßen wie bald wird ſein abgetragener Leib in einer Hand Raum haben. — Dieſe Handvoll ehrliche Erde giebt er uns ohnehin als Agio von den vierzig Gulden. —
Uns allen lehre der Herr unſeres Lebens bey dieſer Gelegenheit unſer Schein und Seyn, daß heißt: er lehr uns wohl beden- ken, daß wir nicht wißen, wenn der Herr
kommt
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wahr waͤre, — und die Hand des Senioris
Familiaͤ hager und ungeſtaltet mit langen un-
abgeſchnittenen Naͤgeln. — Wie ſchrecklich
— Nein — nicht fuͤr hundert Seckel Sil-
bers, das im Kauf gang und gaͤb’ iſt, nicht
fuͤr tauſend! — Fuͤr dich aber, Seliger,
machet die Thuͤr’ unſeres Kirchhofs weit und
die Thoͤre hoch, damit er bey uns einziehe! —
Wenn der Fall nicht ſo, wie er wuͤrklich iſt,
geweſen waͤre, wir haͤtten keinen Dreyer fuͤr
dieſes Plaͤtzchen genommen. — Die Kirche
dankt dir, lieber Seliger, fuͤr das, was ſie
durch meine Hand erhalten hat, und ich
danke dir fuͤr das, ſo uns allen zugewendet
worden, bis auf den letzten Traͤger. Ju-
das verrieth wegen dreyßig Silberlinge ſeinen
Meiſter. — Hier ſind freylich nur vierzig
Kupferlinge, und es iſt allerdings mehr
Schein als Seyn dran; indeßen wie bald
wird ſein abgetragener Leib in einer Hand
Raum haben. — Dieſe Handvoll ehrliche
Erde giebt er uns ohnehin als Agio von den
vierzig Gulden. —
Uns allen lehre der Herr unſeres Lebens
bey dieſer Gelegenheit unſer Schein und
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ken, daß wir nicht wißen, wenn der Herr
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/200>, abgerufen am 23.11.2024.
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