Meinen Lesern zu gefallen, die kein Ge- sangbuch haben, will ich die Stelle, die mir der Pfarrer vorzüglich ins Ohr und Herz sang, abschreiben:
Lieber Gott wenn werd ich sterben? meine Zeit läuft schnell dahin, und des alten Adams Erben, (wo ich auch ein Erbe bin) haben dies zum Vatertheil, daß sie eine kleine Weil arm und elend sind auf Erden, und am Ende Erde werden.
Ich mit allen meinen Brüdern lebe eine kleine Zeit. -- Trag ich nicht in allen Gliedern Saamen zu der Sterblichkeit? geht nicht immer da und dort einer nach dem andern fort? und wie mancher liegt im Grabe, den ich hochgeehret habe.
Aber Gott, was werd ich denken, wenn es wird zum Sterben gehn! wo wird man den Leib versenken? wie wird's um die Seele stehn? ach! ein Kummer fält mir ein: weßen wird mein Vorrath seyn? -- --
Man
N 3
Meinen Leſern zu gefallen, die kein Ge- ſangbuch haben, will ich die Stelle, die mir der Pfarrer vorzuͤglich ins Ohr und Herz ſang, abſchreiben:
Lieber Gott wenn werd ich ſterben? meine Zeit laͤuft ſchnell dahin, und des alten Adams Erben, (wo ich auch ein Erbe bin) haben dies zum Vatertheil, daß ſie eine kleine Weil arm und elend ſind auf Erden, und am Ende Erde werden.
Ich mit allen meinen Bruͤdern lebe eine kleine Zeit. — Trag ich nicht in allen Gliedern Saamen zu der Sterblichkeit? geht nicht immer da und dort einer nach dem andern fort? und wie mancher liegt im Grabe, den ich hochgeehret habe.
Aber Gott, was werd ich denken, wenn es wird zum Sterben gehn! wo wird man den Leib verſenken? wie wird’s um die Seele ſtehn? ach! ein Kummer faͤlt mir ein: weßen wird mein Vorrath ſeyn? — —
Man
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Meinen Leſern zu gefallen, die kein Ge-
ſangbuch haben, will ich die Stelle, die mir
der Pfarrer vorzuͤglich ins Ohr und Herz
ſang, abſchreiben:
Lieber Gott wenn werd ich ſterben?
meine Zeit laͤuft ſchnell dahin,
und des alten Adams Erben,
(wo ich auch ein Erbe bin)
haben dies zum Vatertheil,
daß ſie eine kleine Weil
arm und elend ſind auf Erden,
und am Ende Erde werden.
Ich mit allen meinen Bruͤdern
lebe eine kleine Zeit. —
Trag ich nicht in allen Gliedern
Saamen zu der Sterblichkeit?
geht nicht immer da und dort
einer nach dem andern fort?
und wie mancher liegt im Grabe,
den ich hochgeehret habe.
Aber Gott, was werd ich denken,
wenn es wird zum Sterben gehn!
wo wird man den Leib verſenken?
wie wird’s um die Seele ſtehn?
ach! ein Kummer faͤlt mir ein:
weßen wird mein Vorrath ſeyn? — —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/205>, abgerufen am 23.11.2024.
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