Herr v. E. war, unter vielen andern, König eines solchen Mahls. Er war von seiner Mutter, die Wittwe geworden, aus Frankreich nach Curland gerufen. Seine Ge- schäft' indessen hatten ihn noch ein halbes Jahr in und um Königsberg zurück gehalten ohne daß wir uns zusammen getroffen. Kein Wunder! Er gieng nicht in die Hörsäle, und gieng nicht auf die Jagd. Seine Geschäfte wa- ren wie man sich leicht vorstellen wird -- Liebesangelegenheiten. Freylich hatten die königsbergschen Schönen Ursach' einem Manne Complimente zu machen, der von Paris kam, und sie nicht verschmähete. -- Endlich schlug seine Stunde. -- Ich war, ohne selbst zu wissen, wie's zugieng, bey diesem Mahl, und lernt' ei- nen Menschen ohne Kopf und Herz kennen, der auf den preußischen Adel loszog, weil ihm nie- mand, (die Sach' ohn' Allegorie vorzutragen,) obgleich er angeklopft, aufgethan. -- Wahrlich dies brachte mir eine sehr gute Meynung vom preußischen Adel bey, die ich auch nie aufzu- geben Ursache gefunden. Ich brachte die Nacht, da Herr v. E. mit Extrapost abgieng, wider Gewohnheit schlaflos zu, und selten
hab
Zweiter Th. S
meine Stimme, allein nicht meinen Magen gab.
Herr v. E. war, unter vielen andern, Koͤnig eines ſolchen Mahls. Er war von ſeiner Mutter, die Wittwe geworden, aus Frankreich nach Curland gerufen. Seine Ge- ſchaͤft’ indeſſen hatten ihn noch ein halbes Jahr in und um Koͤnigsberg zuruͤck gehalten ohne daß wir uns zuſammen getroffen. Kein Wunder! Er gieng nicht in die Hoͤrſaͤle, und gieng nicht auf die Jagd. Seine Geſchaͤfte wa- ren wie man ſich leicht vorſtellen wird — Liebesangelegenheiten. Freylich hatten die koͤnigsbergſchen Schoͤnen Urſach’ einem Manne Complimente zu machen, der von Paris kam, und ſie nicht verſchmaͤhete. — Endlich ſchlug ſeine Stunde. — Ich war, ohne ſelbſt zu wiſſen, wie’s zugieng, bey dieſem Mahl, und lernt’ ei- nen Menſchen ohne Kopf und Herz kennen, der auf den preußiſchen Adel loszog, weil ihm nie- mand, (die Sach’ ohn’ Allegorie vorzutragen,) obgleich er angeklopft, aufgethan. — Wahrlich dies brachte mir eine ſehr gute Meynung vom preußiſchen Adel bey, die ich auch nie aufzu- geben Urſache gefunden. Ich brachte die Nacht, da Herr v. E. mit Extrapoſt abgieng, wider Gewohnheit ſchlaflos zu, und ſelten
hab
Zweiter Th. S
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0281"n="273"/>
meine Stimme, allein nicht meinen Magen<lb/>
gab.</p><lb/><p>Herr v. E. war, unter vielen andern,<lb/>
Koͤnig eines ſolchen Mahls. Er war von<lb/>ſeiner Mutter, die Wittwe geworden, aus<lb/>
Frankreich nach Curland gerufen. Seine Ge-<lb/>ſchaͤft’ indeſſen hatten ihn noch ein halbes Jahr<lb/>
in und um Koͤnigsberg zuruͤck gehalten ohne daß<lb/>
wir uns zuſammen getroffen. Kein Wunder!<lb/>
Er gieng nicht in die Hoͤrſaͤle, und gieng<lb/>
nicht auf die Jagd. Seine Geſchaͤfte wa-<lb/>
ren wie man ſich leicht vorſtellen wird —<lb/>
Liebesangelegenheiten. Freylich hatten die<lb/>
koͤnigsbergſchen Schoͤnen Urſach’ einem Manne<lb/>
Complimente zu machen, der von Paris kam,<lb/>
und ſie nicht verſchmaͤhete. — Endlich ſchlug<lb/>ſeine Stunde. — Ich war, ohne ſelbſt zu wiſſen,<lb/>
wie’s zugieng, bey dieſem Mahl, und lernt’ ei-<lb/>
nen Menſchen ohne Kopf und Herz kennen, der<lb/>
auf den preußiſchen Adel loszog, weil ihm nie-<lb/>
mand, (die Sach’ ohn’ Allegorie vorzutragen,)<lb/>
obgleich er angeklopft, aufgethan. — Wahrlich<lb/>
dies brachte mir eine ſehr gute Meynung vom<lb/>
preußiſchen Adel bey, die ich auch nie aufzu-<lb/>
geben Urſache gefunden. Ich brachte die<lb/>
Nacht, da Herr v. E. mit Extrapoſt abgieng,<lb/>
wider Gewohnheit ſchlaflos zu, und ſelten<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweiter Th.</hi> S</fw><fwplace="bottom"type="catch">hab</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[273/0281]
meine Stimme, allein nicht meinen Magen
gab.
Herr v. E. war, unter vielen andern,
Koͤnig eines ſolchen Mahls. Er war von
ſeiner Mutter, die Wittwe geworden, aus
Frankreich nach Curland gerufen. Seine Ge-
ſchaͤft’ indeſſen hatten ihn noch ein halbes Jahr
in und um Koͤnigsberg zuruͤck gehalten ohne daß
wir uns zuſammen getroffen. Kein Wunder!
Er gieng nicht in die Hoͤrſaͤle, und gieng
nicht auf die Jagd. Seine Geſchaͤfte wa-
ren wie man ſich leicht vorſtellen wird —
Liebesangelegenheiten. Freylich hatten die
koͤnigsbergſchen Schoͤnen Urſach’ einem Manne
Complimente zu machen, der von Paris kam,
und ſie nicht verſchmaͤhete. — Endlich ſchlug
ſeine Stunde. — Ich war, ohne ſelbſt zu wiſſen,
wie’s zugieng, bey dieſem Mahl, und lernt’ ei-
nen Menſchen ohne Kopf und Herz kennen, der
auf den preußiſchen Adel loszog, weil ihm nie-
mand, (die Sach’ ohn’ Allegorie vorzutragen,)
obgleich er angeklopft, aufgethan. — Wahrlich
dies brachte mir eine ſehr gute Meynung vom
preußiſchen Adel bey, die ich auch nie aufzu-
geben Urſache gefunden. Ich brachte die
Nacht, da Herr v. E. mit Extrapoſt abgieng,
wider Gewohnheit ſchlaflos zu, und ſelten
hab
Zweiter Th. S
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/281>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.