hoffe, niemand werde fragen: warum? Er an Sie gieng vor sich, so bald ich an Ort und Stelle war. Ich fühlt' jeden Kuß in ihren Briefen, so warm, so sonnenwarm, obgleich er seine funfzig Meilen gereiset war. In Wahrheit, hätt' ich Minchen nicht ge- habt, ich hätte nicht die Hälfte von dem auf der Universität gethan, was ich jetzt that, nicht die Hälfte vor mich gebracht. --
Da bin ich an einer schweren Stelle mei- nes Lebens! wo ich noch zittr' und bebe! Der Himmel helfe mir auch in diesem Buch über! Er! der sie mir leben geholfen, helfe sie mir auch schreiben. -- Ein bittrer Kelch! -- Gottes Wille gescheh' auf Erden, wie im Himmel! --
Ich will Ihm nicht fluchen, dem Va- ter meiner Mine, denn diese Holdselige verbietet es mir! -- Ich will Ihm nicht fluchen. --
Sie schrieb mir ehemals: "ich will meinen Vater nie unsern Vater "nennen. Der meinige ist er, weils "Gott hat haben wollen, warum solst du "dich aber mit ihm beschweren?"
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S 2
hoffe, niemand werde fragen: warum? Er an Sie gieng vor ſich, ſo bald ich an Ort und Stelle war. Ich fuͤhlt’ jeden Kuß in ihren Briefen, ſo warm, ſo ſonnenwarm, obgleich er ſeine funfzig Meilen gereiſet war. In Wahrheit, haͤtt’ ich Minchen nicht ge- habt, ich haͤtte nicht die Haͤlfte von dem auf der Univerſitaͤt gethan, was ich jetzt that, nicht die Haͤlfte vor mich gebracht. —
Da bin ich an einer ſchweren Stelle mei- nes Lebens! wo ich noch zittr’ und bebe! Der Himmel helfe mir auch in dieſem Buch uͤber! Er! der ſie mir leben geholfen, helfe ſie mir auch ſchreiben. — Ein bittrer Kelch! — Gottes Wille geſcheh’ auf Erden, wie im Himmel! —
Ich will Ihm nicht fluchen, dem Va- ter meiner Mine, denn dieſe Holdſelige verbietet es mir! — Ich will Ihm nicht fluchen. —
Sie ſchrieb mir ehemals: „ich will meinen Vater nie unſern Vater „nennen. Der meinige iſt er, weils „Gott hat haben wollen, warum ſolſt du „dich aber mit ihm beſchweren?„
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hoffe, niemand werde fragen: warum? Er
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und Stelle war. Ich fuͤhlt’ jeden Kuß in
ihren Briefen, ſo warm, ſo ſonnenwarm,
obgleich er ſeine funfzig Meilen gereiſet war.
In Wahrheit, haͤtt’ ich Minchen nicht ge-
habt, ich haͤtte nicht die Haͤlfte von dem auf
der Univerſitaͤt gethan, was ich jetzt that,
nicht die Haͤlfte vor mich gebracht. —
Da bin ich an einer ſchweren Stelle mei-
nes Lebens! wo ich noch zittr’ und bebe!
Der Himmel helfe mir auch in dieſem Buch
uͤber! Er! der ſie mir leben geholfen, helfe
ſie mir auch ſchreiben. — Ein bittrer Kelch!
— Gottes Wille geſcheh’ auf Erden, wie
im Himmel! —
Ich will Ihm nicht fluchen, dem Va-
ter meiner Mine, denn dieſe Holdſelige
verbietet es mir! — Ich will Ihm nicht
fluchen. —
Sie ſchrieb mir ehemals:
„ich will meinen Vater nie unſern Vater
„nennen. Der meinige iſt er, weils
„Gott hat haben wollen, warum ſolſt du
„dich aber mit ihm beſchweren?„
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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