des menschlichen Lebens hinauf führen möch- te. -- Herr Herrmann nahm Gelegenheit, dem Herrn v. W. wegen des Ablebens seines Hochwohlgebohrnen Herrn Grosvaters zu condoliren. Ich bückte mich blos, und da er dieses gleichmäßig für eine Condolenz an- sah, wandt' er sich zu jedem von uns beyden, zu mir zuerst, und wünschte jedem was be- sonders, jedem aber eine lange Reihe glückli- cher Jahre. --
Der Herr v. G. nahm die Frau v. W. bei der Hand, um ihr das Schlafzimmer an- zuweisen. Da die Frau v. G. durchaus sie auch begleiten wolte; gab ihr Herr v. W., nach vielen Complimenten und Bitten zu- rück zu bleiben, auch die Hand. Dem jün- gern Herrn v. G. ward das kleine Fräulein v. W. angewiesen. Mich mußte der gewe- sene Hofmeister, den sein gewesener Unterge- bener nicht mehr vor voll ansahe, wiewohl in das nehmliche Zimmer bringen, wo ich schon die vorige Nacht geschlafen hatte, und das ich also ohne diese Anweisung gefunden haben würde. Hier solt' auch der alte Herr schlafen. Dieser lezte Umstand, obschon er von der Frau v. G. zu meiner Erniedrigung ausgekünstelt schien, und mich einen Augen-
blick
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des menſchlichen Lebens hinauf fuͤhren moͤch- te. — Herr Herrmann nahm Gelegenheit, dem Herrn v. W. wegen des Ablebens ſeines Hochwohlgebohrnen Herrn Grosvaters zu condoliren. Ich buͤckte mich blos, und da er dieſes gleichmaͤßig fuͤr eine Condolenz an- ſah, wandt’ er ſich zu jedem von uns beyden, zu mir zuerſt, und wuͤnſchte jedem was be- ſonders, jedem aber eine lange Reihe gluͤckli- cher Jahre. —
Der Herr v. G. nahm die Frau v. W. bei der Hand, um ihr das Schlafzimmer an- zuweiſen. Da die Frau v. G. durchaus ſie auch begleiten wolte; gab ihr Herr v. W., nach vielen Complimenten und Bitten zu- ruͤck zu bleiben, auch die Hand. Dem juͤn- gern Herrn v. G. ward das kleine Fraͤulein v. W. angewieſen. Mich mußte der gewe- ſene Hofmeiſter, den ſein geweſener Unterge- bener nicht mehr vor voll anſahe, wiewohl in das nehmliche Zimmer bringen, wo ich ſchon die vorige Nacht geſchlafen hatte, und das ich alſo ohne dieſe Anweiſung gefunden haben wuͤrde. Hier ſolt’ auch der alte Herr ſchlafen. Dieſer lezte Umſtand, obſchon er von der Frau v. G. zu meiner Erniedrigung ausgekuͤnſtelt ſchien, und mich einen Augen-
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des menſchlichen Lebens hinauf fuͤhren moͤch-
te. — Herr Herrmann nahm Gelegenheit,
dem Herrn v. W. wegen des Ablebens ſeines
Hochwohlgebohrnen Herrn Grosvaters zu
condoliren. Ich buͤckte mich blos, und da
er dieſes gleichmaͤßig fuͤr eine Condolenz an-
ſah, wandt’ er ſich zu jedem von uns beyden,
zu mir zuerſt, und wuͤnſchte jedem was be-
ſonders, jedem aber eine lange Reihe gluͤckli-
cher Jahre. —
Der Herr v. G. nahm die Frau v. W.
bei der Hand, um ihr das Schlafzimmer an-
zuweiſen. Da die Frau v. G. durchaus ſie
auch begleiten wolte; gab ihr Herr v. W.,
nach vielen Complimenten und Bitten zu-
ruͤck zu bleiben, auch die Hand. Dem juͤn-
gern Herrn v. G. ward das kleine Fraͤulein
v. W. angewieſen. Mich mußte der gewe-
ſene Hofmeiſter, den ſein geweſener Unterge-
bener nicht mehr vor voll anſahe, wiewohl
in das nehmliche Zimmer bringen, wo ich
ſchon die vorige Nacht geſchlafen hatte, und
das ich alſo ohne dieſe Anweiſung gefunden
haben wuͤrde. Hier ſolt’ auch der alte Herr
ſchlafen. Dieſer lezte Umſtand, obſchon er
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/29>, abgerufen am 23.11.2024.
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