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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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gen und Würgen alles Einverständniß mit dem
Herrn Sohn zu untersagen, der in Königs-
berg nichts thut, als Wilhelminen schriftlich
lieben. Man weiß aus sicherer Hand --"
Genug, ich kann nichts mehr abschreiben.

Mein Brief an Minen, den Herrmann
entwendet hatte, und der diesem Schleich-
handel den Schein des Rechts beylegte, war
wie gewöhnlich treu und herzlich. -- Die
Stelle:

"O! Mine, o Weib! Du bist mir wie ge-
"genwärtig, und alles, alles, ist mir ge-
"genwärtig. Denkst du auch dran, wenn
"wir uns die Augen küßten, als tränken
"wir sie aus, wenn ich deine Hand so fest
"an mein Herz hielt, daß du jeden und
"den allergeheimsten Schlag drinn fühlen
"konntest, den Puls der Liebe --"

Diese Stelle klammerte meine Mutter
ein, und nahm sie in frommen Beschlag.
Zur Seite schrieb sie "Gedenke nicht der Sün-
"den meiner Jugend und meiner Uebertretun-
"gen, gedenke aber mein nach deiner großen
"Barmherzigkeit! -- Ueberall, wo Weib
stand, zog sie einen Strich, als zöge sie ei-
nen Vorhang -- --

Mine

gen und Wuͤrgen alles Einverſtaͤndniß mit dem
Herrn Sohn zu unterſagen, der in Koͤnigs-
berg nichts thut, als Wilhelminen ſchriftlich
lieben. Man weiß aus ſicherer Hand —„
Genug, ich kann nichts mehr abſchreiben.

Mein Brief an Minen, den Herrmann
entwendet hatte, und der dieſem Schleich-
handel den Schein des Rechts beylegte, war
wie gewoͤhnlich treu und herzlich. — Die
Stelle:

„O! Mine, o Weib! Du biſt mir wie ge-
„genwaͤrtig, und alles, alles, iſt mir ge-
„genwaͤrtig. Denkſt du auch dran, wenn
„wir uns die Augen kuͤßten, als traͤnken
„wir ſie aus, wenn ich deine Hand ſo feſt
„an mein Herz hielt, daß du jeden und
„den allergeheimſten Schlag drinn fuͤhlen
„konnteſt, den Puls der Liebe —„

Dieſe Stelle klammerte meine Mutter
ein, und nahm ſie in frommen Beſchlag.
Zur Seite ſchrieb ſie „Gedenke nicht der Suͤn-
„den meiner Jugend und meiner Uebertretun-
„gen, gedenke aber mein nach deiner großen
„Barmherzigkeit! — Ueberall, wo Weib
ſtand, zog ſie einen Strich, als zoͤge ſie ei-
nen Vorhang — —

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[328/0336] gen und Wuͤrgen alles Einverſtaͤndniß mit dem Herrn Sohn zu unterſagen, der in Koͤnigs- berg nichts thut, als Wilhelminen ſchriftlich lieben. Man weiß aus ſicherer Hand —„ Genug, ich kann nichts mehr abſchreiben. Mein Brief an Minen, den Herrmann entwendet hatte, und der dieſem Schleich- handel den Schein des Rechts beylegte, war wie gewoͤhnlich treu und herzlich. — Die Stelle: „O! Mine, o Weib! Du biſt mir wie ge- „genwaͤrtig, und alles, alles, iſt mir ge- „genwaͤrtig. Denkſt du auch dran, wenn „wir uns die Augen kuͤßten, als traͤnken „wir ſie aus, wenn ich deine Hand ſo feſt „an mein Herz hielt, daß du jeden und „den allergeheimſten Schlag drinn fuͤhlen „konnteſt, den Puls der Liebe —„ Dieſe Stelle klammerte meine Mutter ein, und nahm ſie in frommen Beſchlag. Zur Seite ſchrieb ſie „Gedenke nicht der Suͤn- „den meiner Jugend und meiner Uebertretun- „gen, gedenke aber mein nach deiner großen „Barmherzigkeit! — Ueberall, wo Weib ſtand, zog ſie einen Strich, als zoͤge ſie ei- nen Vorhang — — Mine

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/336>, abgerufen am 22.11.2024.