Ich übergebe dir diesen heiligen Ort, wo ich mit Alexandern getraut bin. Mit dei- nem Freunde! Gott gab uns zusammen, Menschen wollen uns scheiden! -- allein sie sollen es nicht! -- sie sollen es nicht! -- Was meynst du, Benjamin? Benjamin schluchzte "sie sollen nicht" --
Hier ist der Ort, wo er mich zum ersten- mal küßte! Sieh, wie die Natur ihn ge- schmückt hat. -- Es sind mir heilige Oerter gewesen. Du weißt, wie mich Alexander liebte "ich weiß" sagte Benjamin. So! So! lag ich in seinem Arm, wenn er mich küßte. O seine Küße! Wahrheit und Leben war in ihnen! Ich sein! Er mein! Wenn ich was liebliches gegessen oder getrunken hatte, wo- von der Nachgeschmack noch auf meinen Lip- pen war, fand er meinen Kuß nicht halb so! O der liebe, liebe Junge! Ich will dich! so natürlich wie du bist, sagt' er, und ich wolt' ihn auch so natürlich, wie er war. Wir liebten beyde die Natur, und wahrlich die Na- tur liebt' uns wieder. Sie hat viel an uns gethan! Der Bach spricht nicht, Benjamin, allein wenn wir zusammen giengen, hörten und verstanden wir ihn aufs genaueste. Die ganze liebe gütige Natur sprach mit uns,
und
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Ich uͤbergebe dir dieſen heiligen Ort, wo ich mit Alexandern getraut bin. Mit dei- nem Freunde! Gott gab uns zuſammen, Menſchen wollen uns ſcheiden! — allein ſie ſollen es nicht! — ſie ſollen es nicht! — Was meynſt du, Benjamin? Benjamin ſchluchzte „ſie ſollen nicht„ —
Hier iſt der Ort, wo er mich zum erſten- mal kuͤßte! Sieh, wie die Natur ihn ge- ſchmuͤckt hat. — Es ſind mir heilige Oerter geweſen. Du weißt, wie mich Alexander liebte „ich weiß„ ſagte Benjamin. So! So! lag ich in ſeinem Arm, wenn er mich kuͤßte. O ſeine Kuͤße! Wahrheit und Leben war in ihnen! Ich ſein! Er mein! Wenn ich was liebliches gegeſſen oder getrunken hatte, wo- von der Nachgeſchmack noch auf meinen Lip- pen war, fand er meinen Kuß nicht halb ſo! O der liebe, liebe Junge! Ich will dich! ſo natuͤrlich wie du biſt, ſagt’ er, und ich wolt’ ihn auch ſo natuͤrlich, wie er war. Wir liebten beyde die Natur, und wahrlich die Na- tur liebt’ uns wieder. Sie hat viel an uns gethan! Der Bach ſpricht nicht, Benjamin, allein wenn wir zuſammen giengen, hoͤrten und verſtanden wir ihn aufs genaueſte. Die ganze liebe guͤtige Natur ſprach mit uns,
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Ich uͤbergebe dir dieſen heiligen Ort, wo
ich mit Alexandern getraut bin. Mit dei-
nem Freunde! Gott gab uns zuſammen,
Menſchen wollen uns ſcheiden! — allein ſie
ſollen es nicht! — ſie ſollen es nicht! —
Was meynſt du, Benjamin? Benjamin
ſchluchzte „ſie ſollen nicht„ —
Hier iſt der Ort, wo er mich zum erſten-
mal kuͤßte! Sieh, wie die Natur ihn ge-
ſchmuͤckt hat. — Es ſind mir heilige Oerter
geweſen. Du weißt, wie mich Alexander
liebte „ich weiß„ ſagte Benjamin. So! So!
lag ich in ſeinem Arm, wenn er mich kuͤßte.
O ſeine Kuͤße! Wahrheit und Leben war in
ihnen! Ich ſein! Er mein! Wenn ich was
liebliches gegeſſen oder getrunken hatte, wo-
von der Nachgeſchmack noch auf meinen Lip-
pen war, fand er meinen Kuß nicht halb ſo!
O der liebe, liebe Junge! Ich will dich! ſo
natuͤrlich wie du biſt, ſagt’ er, und ich wolt’
ihn auch ſo natuͤrlich, wie er war. Wir
liebten beyde die Natur, und wahrlich die Na-
tur liebt’ uns wieder. Sie hat viel an uns
gethan! Der Bach ſpricht nicht, Benjamin,
allein wenn wir zuſammen giengen, hoͤrten
und verſtanden wir ihn aufs genaueſte. Die
ganze liebe guͤtige Natur ſprach mit uns,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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