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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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wie Judas seinen Meister. Der Abend,
da du mir die Geschichte vom Judenknaben
und von den Hünereyern erzähltest, wird
wider dich zeugen, Frevler! Kuppler! Bö-
sewicht! -- --

Mine nahm von ihrer Zelle Abschied,
und konnte nicht umhin, noch einmal nach
ihrer Mutter Grab zu blicken. Hiebey lies
sie es bewenden. Sie befahl Reginen das
Hauß, und sagt' ihr, sie dörfe nicht warten,
sondern könne nur immerhin zeitig zu Bett
gehen, womit Reginen sehr gedient war. Ich,
fuhr Mine fort, werde diese Nacht nicht zu
Hause kommen, und nun ging Mine mit
dem Gesang:

So gehen meine Wege
gewiß zum Himmel ein!

aus ihrem Vaterlande, und aus ihrer
Freundschaft, und aus ihres Vaters Hause,
in ein Land, das ihr der Herr, wie sie
glaubte, zeigen würde. -- Ihre Füß' und
Hände zitterten; indessen fand sie sich durch
die Gedanken gestärkt, daß sie den Anschlä-
gen der Bosheit entgienge. Sie fand an
dem bestimmten Ort ein Wagchen und zwey
Pferde. Ohne zu fragen wie? und wohin?

setzte

wie Judas ſeinen Meiſter. Der Abend,
da du mir die Geſchichte vom Judenknaben
und von den Huͤnereyern erzaͤhlteſt, wird
wider dich zeugen, Frevler! Kuppler! Boͤ-
ſewicht! — —

Mine nahm von ihrer Zelle Abſchied,
und konnte nicht umhin, noch einmal nach
ihrer Mutter Grab zu blicken. Hiebey lies
ſie es bewenden. Sie befahl Reginen das
Hauß, und ſagt’ ihr, ſie doͤrfe nicht warten,
ſondern koͤnne nur immerhin zeitig zu Bett
gehen, womit Reginen ſehr gedient war. Ich,
fuhr Mine fort, werde dieſe Nacht nicht zu
Hauſe kommen, und nun ging Mine mit
dem Geſang:

So gehen meine Wege
gewiß zum Himmel ein!

aus ihrem Vaterlande, und aus ihrer
Freundſchaft, und aus ihres Vaters Hauſe,
in ein Land, das ihr der Herr, wie ſie
glaubte, zeigen wuͤrde. — Ihre Fuͤß’ und
Haͤnde zitterten; indeſſen fand ſie ſich durch
die Gedanken geſtaͤrkt, daß ſie den Anſchlaͤ-
gen der Bosheit entgienge. Sie fand an
dem beſtimmten Ort ein Wagchen und zwey
Pferde. Ohne zu fragen wie? und wohin?

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[381/0389] wie Judas ſeinen Meiſter. Der Abend, da du mir die Geſchichte vom Judenknaben und von den Huͤnereyern erzaͤhlteſt, wird wider dich zeugen, Frevler! Kuppler! Boͤ- ſewicht! — — Mine nahm von ihrer Zelle Abſchied, und konnte nicht umhin, noch einmal nach ihrer Mutter Grab zu blicken. Hiebey lies ſie es bewenden. Sie befahl Reginen das Hauß, und ſagt’ ihr, ſie doͤrfe nicht warten, ſondern koͤnne nur immerhin zeitig zu Bett gehen, womit Reginen ſehr gedient war. Ich, fuhr Mine fort, werde dieſe Nacht nicht zu Hauſe kommen, und nun ging Mine mit dem Geſang: So gehen meine Wege gewiß zum Himmel ein! aus ihrem Vaterlande, und aus ihrer Freundſchaft, und aus ihres Vaters Hauſe, in ein Land, das ihr der Herr, wie ſie glaubte, zeigen wuͤrde. — Ihre Fuͤß’ und Haͤnde zitterten; indeſſen fand ſie ſich durch die Gedanken geſtaͤrkt, daß ſie den Anſchlaͤ- gen der Bosheit entgienge. Sie fand an dem beſtimmten Ort ein Wagchen und zwey Pferde. Ohne zu fragen wie? und wohin? ſetzte

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/389>, abgerufen am 22.11.2024.