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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mein Vaterland wieder zu sehen, das ich
auch selbst auf allen meinen Reisen nicht ver-
lassen hatte. Wie glücklich dünkte ich mich
zu erfahren, daß Curland als frey und ge-
recht weit und breit bekannt ist. Diese große
Eigenschaften meines Vaterlandes nehm' ich
bey einem Vorfall in Anspruch, der, so klein
er beim ersten Ueberblick anscheinet, ins
Große übergehen könnte. Meine Mutter,
ich muß es ohne Rückhalt gestehen, hatte
durch ihre Gelindigkeit die den Gütern Ange-
hörige von genauer Erfüllung ihrer Pflichten
abgebracht, anstatt daß diese meiner Mut-
ter eigene Denkungsart ihr die Herzen aller
Unterthanen zuziehen sollte. Besonders gab
eine gewisse Wilhelmine -- -- -- durch un-
erträglichen Stolz und Ungehorsam ein so
schlechtes Beyspiel, daß da meine Ermahnun-
gen nichts bewürkten, ich ihr drohen mußte.
Diese wohlgemeinte Bedrohung, die in den
Grenzen der Worte blieb, und gewiß nicht
anders, als im höchsten Nothfall, weiter
herausgerückt seyn würde, brachte die besagte
Person so sehr aus allen Schranken des Ge-
horsams und der Verbindlichkeit, daß sie es
für gut fand, flüchtigen Fuß zu setzen, und
ein höchsinachtheiliges Exempel zurück zu las-

sen.

mein Vaterland wieder zu ſehen, das ich
auch ſelbſt auf allen meinen Reiſen nicht ver-
laſſen hatte. Wie gluͤcklich duͤnkte ich mich
zu erfahren, daß Curland als frey und ge-
recht weit und breit bekannt iſt. Dieſe große
Eigenſchaften meines Vaterlandes nehm’ ich
bey einem Vorfall in Anſpruch, der, ſo klein
er beim erſten Ueberblick anſcheinet, ins
Große uͤbergehen koͤnnte. Meine Mutter,
ich muß es ohne Ruͤckhalt geſtehen, hatte
durch ihre Gelindigkeit die den Guͤtern Ange-
hoͤrige von genauer Erfuͤllung ihrer Pflichten
abgebracht, anſtatt daß dieſe meiner Mut-
ter eigene Denkungsart ihr die Herzen aller
Unterthanen zuziehen ſollte. Beſonders gab
eine gewiſſe Wilhelmine — — — durch un-
ertraͤglichen Stolz und Ungehorſam ein ſo
ſchlechtes Beyſpiel, daß da meine Ermahnun-
gen nichts bewuͤrkten, ich ihr drohen mußte.
Dieſe wohlgemeinte Bedrohung, die in den
Grenzen der Worte blieb, und gewiß nicht
anders, als im hoͤchſten Nothfall, weiter
herausgeruͤckt ſeyn wuͤrde, brachte die beſagte
Perſon ſo ſehr aus allen Schranken des Ge-
horſams und der Verbindlichkeit, daß ſie es
fuͤr gut fand, fluͤchtigen Fuß zu ſetzen, und
ein hoͤchſinachtheiliges Exempel zuruͤck zu laſ-

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[430/0440] mein Vaterland wieder zu ſehen, das ich auch ſelbſt auf allen meinen Reiſen nicht ver- laſſen hatte. Wie gluͤcklich duͤnkte ich mich zu erfahren, daß Curland als frey und ge- recht weit und breit bekannt iſt. Dieſe große Eigenſchaften meines Vaterlandes nehm’ ich bey einem Vorfall in Anſpruch, der, ſo klein er beim erſten Ueberblick anſcheinet, ins Große uͤbergehen koͤnnte. Meine Mutter, ich muß es ohne Ruͤckhalt geſtehen, hatte durch ihre Gelindigkeit die den Guͤtern Ange- hoͤrige von genauer Erfuͤllung ihrer Pflichten abgebracht, anſtatt daß dieſe meiner Mut- ter eigene Denkungsart ihr die Herzen aller Unterthanen zuziehen ſollte. Beſonders gab eine gewiſſe Wilhelmine — — — durch un- ertraͤglichen Stolz und Ungehorſam ein ſo ſchlechtes Beyſpiel, daß da meine Ermahnun- gen nichts bewuͤrkten, ich ihr drohen mußte. Dieſe wohlgemeinte Bedrohung, die in den Grenzen der Worte blieb, und gewiß nicht anders, als im hoͤchſten Nothfall, weiter herausgeruͤckt ſeyn wuͤrde, brachte die beſagte Perſon ſo ſehr aus allen Schranken des Ge- horſams und der Verbindlichkeit, daß ſie es fuͤr gut fand, fluͤchtigen Fuß zu ſetzen, und ein hoͤchſinachtheiliges Exempel zuruͤck zu laſ- ſen.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/440>, abgerufen am 22.11.2024.