Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

können ertragen, ließ mich nicht lang in diesen
schrecklichen, erschrecklichen Lage, in diesem:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du
mich verlassen!

Sie ließ sie tausendmal grüßen, sagte
Gretchen, und dies Wort würkt' auf meine
Empfindung, die Spannung ließ nach. --
Mein Auge bezog sich. -- O Mine! sagt'
ich mit einem Ton, der Greten durch Mark
und Bein gieng, auch den Prediger traf er.
Sie weinten beyde -- auch ich fieng an zu wei-
nen; allein heftig. Das Donnerwetter hatte
sich noch nicht völlig verzogen. Es donnerte
und blitzte während dem heftigen Regen.

Oft hab ich darüber gedacht, wie es zu-
gegangen, daß ich nicht sogleich gerungen,
sie zu sehen. -- Nun fiel es mir auf einmal
ein, wo ist sie? wo? fieng ich an, und da war
sie auch schon in meinen Armen, an meinen
Lippen!

Gott, welche Scene! -- -- O Mine!
Mine! Mine! Mine! Mehr konnt' ich
nicht, ich fiel zurück. -- Eine Seelenohn-
macht ergrif mich. -- Der gute Prediger und
seine Tochter sagten abwechselnd: Sie ist bey
Gott!
mehr konnte sie auch nicht. Wir wa-
ren alle drey so Lebens müde und satt, daß

wir
K k 5

koͤnnen ertragen, ließ mich nicht lang in dieſen
ſchrecklichen, erſchrecklichen Lage, in dieſem:
Mein Gott, mein Gott, warum haſt du
mich verlaſſen!

Sie ließ ſie tauſendmal gruͤßen, ſagte
Gretchen, und dies Wort wuͤrkt’ auf meine
Empfindung, die Spannung ließ nach. —
Mein Auge bezog ſich. — O Mine! ſagt’
ich mit einem Ton, der Greten durch Mark
und Bein gieng, auch den Prediger traf er.
Sie weinten beyde — auch ich fieng an zu wei-
nen; allein heftig. Das Donnerwetter hatte
ſich noch nicht voͤllig verzogen. Es donnerte
und blitzte waͤhrend dem heftigen Regen.

Oft hab ich daruͤber gedacht, wie es zu-
gegangen, daß ich nicht ſogleich gerungen,
ſie zu ſehen. — Nun fiel es mir auf einmal
ein, wo iſt ſie? wo? fieng ich an, und da war
ſie auch ſchon in meinen Armen, an meinen
Lippen!

Gott, welche Scene! — — O Mine!
Mine! Mine! Mine! Mehr konnt’ ich
nicht, ich fiel zuruͤck. — Eine Seelenohn-
macht ergrif mich. — Der gute Prediger und
ſeine Tochter ſagten abwechſelnd: Sie iſt bey
Gott!
mehr konnte ſie auch nicht. Wir wa-
ren alle drey ſo Lebens muͤde und ſatt, daß

wir
K k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0531" n="521"/>
ko&#x0364;nnen ertragen, ließ mich nicht lang in die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chrecklichen, er&#x017F;chrecklichen Lage, in die&#x017F;em:<lb/><hi rendition="#fr">Mein Gott, mein Gott, warum ha&#x017F;t du<lb/>
mich verla&#x017F;&#x017F;en!</hi></p><lb/>
          <p>Sie ließ &#x017F;ie tau&#x017F;endmal gru&#x0364;ßen, &#x017F;agte<lb/>
Gretchen, und dies Wort wu&#x0364;rkt&#x2019; auf meine<lb/>
Empfindung, die Spannung ließ nach. &#x2014;<lb/>
Mein Auge bezog &#x017F;ich. &#x2014; <hi rendition="#fr">O Mine!</hi> &#x017F;agt&#x2019;<lb/>
ich mit einem Ton, der Greten durch Mark<lb/>
und Bein gieng, auch den Prediger traf er.<lb/>
Sie weinten beyde &#x2014; auch ich fieng an zu wei-<lb/>
nen; allein heftig. Das Donnerwetter hatte<lb/>
&#x017F;ich noch nicht vo&#x0364;llig verzogen. Es donnerte<lb/>
und blitzte wa&#x0364;hrend dem heftigen Regen.</p><lb/>
          <p>Oft hab ich daru&#x0364;ber gedacht, wie es zu-<lb/>
gegangen, daß ich nicht &#x017F;ogleich gerungen,<lb/>
&#x017F;ie zu &#x017F;ehen. &#x2014; Nun fiel es mir auf einmal<lb/>
ein, wo i&#x017F;t &#x017F;ie? wo? fieng ich an, und da war<lb/>
&#x017F;ie auch &#x017F;chon in meinen Armen, an meinen<lb/>
Lippen!</p><lb/>
          <p>Gott, welche Scene! &#x2014; &#x2014; O Mine!<lb/>
Mine! Mine! Mine! Mehr konnt&#x2019; ich<lb/>
nicht, ich fiel zuru&#x0364;ck. &#x2014; Eine Seelenohn-<lb/>
macht ergrif mich. &#x2014; Der gute Prediger und<lb/>
&#x017F;eine Tochter &#x017F;agten abwech&#x017F;elnd: <hi rendition="#fr">Sie i&#x017F;t bey<lb/>
Gott!</hi> mehr konnte &#x017F;ie auch nicht. Wir wa-<lb/>
ren alle drey &#x017F;o Lebens mu&#x0364;de und &#x017F;att, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0531] koͤnnen ertragen, ließ mich nicht lang in dieſen ſchrecklichen, erſchrecklichen Lage, in dieſem: Mein Gott, mein Gott, warum haſt du mich verlaſſen! Sie ließ ſie tauſendmal gruͤßen, ſagte Gretchen, und dies Wort wuͤrkt’ auf meine Empfindung, die Spannung ließ nach. — Mein Auge bezog ſich. — O Mine! ſagt’ ich mit einem Ton, der Greten durch Mark und Bein gieng, auch den Prediger traf er. Sie weinten beyde — auch ich fieng an zu wei- nen; allein heftig. Das Donnerwetter hatte ſich noch nicht voͤllig verzogen. Es donnerte und blitzte waͤhrend dem heftigen Regen. Oft hab ich daruͤber gedacht, wie es zu- gegangen, daß ich nicht ſogleich gerungen, ſie zu ſehen. — Nun fiel es mir auf einmal ein, wo iſt ſie? wo? fieng ich an, und da war ſie auch ſchon in meinen Armen, an meinen Lippen! Gott, welche Scene! — — O Mine! Mine! Mine! Mine! Mehr konnt’ ich nicht, ich fiel zuruͤck. — Eine Seelenohn- macht ergrif mich. — Der gute Prediger und ſeine Tochter ſagten abwechſelnd: Sie iſt bey Gott! mehr konnte ſie auch nicht. Wir wa- ren alle drey ſo Lebens muͤde und ſatt, daß wir K k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/531
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/531>, abgerufen am 22.11.2024.