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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Ob du je dies Blatt und die Folge die-
ser Geschichte lesen wirst, weiß Gott, der
alles weiß. Ich zittere, daß meine Ahn-
dungen so haarklein eingetroffen sind. Wenn
noch eine andere eintrift; sehen wir uns
nicht eher, als in der ewigen Freud und Se-
ligkeit. Wärst du nicht, lieber Junge, in
dieser kummervollen Welt, wie gerne, wie
herzlich gerne! -- im Leben und im Sterben
bin ich dein, und ewig dein! dein! dein! --


Wieder Minchens Schrift
aus
Gretchens Händen.

Ein Testament, lieber Junge, ist mir
von je her was feyerliches, eine Herzenslust,
eine Seelenwonne, gewesen. Schon längst
hab ich drauf gedacht, dir eins zurückzulassen.
Wo ich nur dazu kommen konnte, las ich
Testamente, und wie sehr freut' ich mich,
wenn ich eins gelesen hatte, daß die Leut' oft
in ganz gesunden Tagen bedenken, daß ihr
Leben ein Ziel hat, und daß sie davon müs-
sen. Heute will ich mein Testament machen.
Ein Testament in meinem neunzehnten Jahre!
-- So winkt Gott manchem am trüben

Abend
L l 4

Ob du je dies Blatt und die Folge die-
ſer Geſchichte leſen wirſt, weiß Gott, der
alles weiß. Ich zittere, daß meine Ahn-
dungen ſo haarklein eingetroffen ſind. Wenn
noch eine andere eintrift; ſehen wir uns
nicht eher, als in der ewigen Freud und Se-
ligkeit. Waͤrſt du nicht, lieber Junge, in
dieſer kummervollen Welt, wie gerne, wie
herzlich gerne! — im Leben und im Sterben
bin ich dein, und ewig dein! dein! dein! —


Wieder Minchens Schrift
aus
Gretchens Haͤnden.

Ein Teſtament, lieber Junge, iſt mir
von je her was feyerliches, eine Herzensluſt,
eine Seelenwonne, geweſen. Schon laͤngſt
hab ich drauf gedacht, dir eins zuruͤckzulaſſen.
Wo ich nur dazu kommen konnte, las ich
Teſtamente, und wie ſehr freut’ ich mich,
wenn ich eins geleſen hatte, daß die Leut’ oft
in ganz geſunden Tagen bedenken, daß ihr
Leben ein Ziel hat, und daß ſie davon muͤſ-
ſen. Heute will ich mein Teſtament machen.
Ein Teſtament in meinem neunzehnten Jahre!
— So winkt Gott manchem am truͤben

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L l 4
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[535/0547] Ob du je dies Blatt und die Folge die- ſer Geſchichte leſen wirſt, weiß Gott, der alles weiß. Ich zittere, daß meine Ahn- dungen ſo haarklein eingetroffen ſind. Wenn noch eine andere eintrift; ſehen wir uns nicht eher, als in der ewigen Freud und Se- ligkeit. Waͤrſt du nicht, lieber Junge, in dieſer kummervollen Welt, wie gerne, wie herzlich gerne! — im Leben und im Sterben bin ich dein, und ewig dein! dein! dein! — Wieder Minchens Schrift aus Gretchens Haͤnden. Ein Teſtament, lieber Junge, iſt mir von je her was feyerliches, eine Herzensluſt, eine Seelenwonne, geweſen. Schon laͤngſt hab ich drauf gedacht, dir eins zuruͤckzulaſſen. Wo ich nur dazu kommen konnte, las ich Teſtamente, und wie ſehr freut’ ich mich, wenn ich eins geleſen hatte, daß die Leut’ oft in ganz geſunden Tagen bedenken, daß ihr Leben ein Ziel hat, und daß ſie davon muͤſ- ſen. Heute will ich mein Teſtament machen. Ein Teſtament in meinem neunzehnten Jahre! — So winkt Gott manchem am truͤben Abend L l 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/547>, abgerufen am 22.11.2024.