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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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lich ähnlich, als mir keiner von allen meinen
Kindern und Groskindern ist, die mir all'
ähnlicher sind, als jene. Alle Leute nann-
ten den Seligen: Großvater, und der kleine
Junge freute sich drüber, und that so alt,
als wenn ers wäre. Er ist ein Theil von
mir, ein Ast vom Stamm, und soll da be-
graben werden, wo ich einst begraben zu wer-
den den Meinigen anbefohlen habe. Nach-
bar! wir wollen betrübt und froh seyn, so
wie man in der Abenddämmerung sieht, und
nicht sieht. -- O Greger! Es ist ein köstlich
Ding, wie unser Pastor sagt, zu sterben,
eh man stirbt! Was meinst du, wenn man
sich begraben sieht? Du bist gestorben, Gre-
ger, eh du starbst, du hast dich begraben ge-
sehen, und lebst; denn dein Weib, Wittwer,
war du selbst! Sieh, ich habe noch all die
Meinigen; nur Jacob den Hauptenkel hab'
ich verloren, den begrab' ich heute! Da liegt
er schon auf einem weißen Laken, du wirst
ihm folgen mit deiner seligen Frauen Schwe-
ster in einem Paar! Ich werde mir selbst
folgen mit meinem Weibe Hand in Hand.
Gott geb' ich stürb mit ihr paarweis'! Zwar
hat mich Gott gesegnet mit Kindern und Kin-
deskindern, die noch grünen und blühen und

Frücht'

lich aͤhnlich, als mir keiner von allen meinen
Kindern und Groskindern iſt, die mir all’
aͤhnlicher ſind, als jene. Alle Leute nann-
ten den Seligen: Großvater, und der kleine
Junge freute ſich druͤber, und that ſo alt,
als wenn ers waͤre. Er iſt ein Theil von
mir, ein Aſt vom Stamm, und ſoll da be-
graben werden, wo ich einſt begraben zu wer-
den den Meinigen anbefohlen habe. Nach-
bar! wir wollen betruͤbt und froh ſeyn, ſo
wie man in der Abenddaͤmmerung ſieht, und
nicht ſieht. — O Greger! Es iſt ein koͤſtlich
Ding, wie unſer Paſtor ſagt, zu ſterben,
eh man ſtirbt! Was meinſt du, wenn man
ſich begraben ſieht? Du biſt geſtorben, Gre-
ger, eh du ſtarbſt, du haſt dich begraben ge-
ſehen, und lebſt; denn dein Weib, Wittwer,
war du ſelbſt! Sieh, ich habe noch all die
Meinigen; nur Jacob den Hauptenkel hab’
ich verloren, den begrab’ ich heute! Da liegt
er ſchon auf einem weißen Laken, du wirſt
ihm folgen mit deiner ſeligen Frauen Schwe-
ſter in einem Paar! Ich werde mir ſelbſt
folgen mit meinem Weibe Hand in Hand.
Gott geb’ ich ſtuͤrb mit ihr paarweiſ’! Zwar
hat mich Gott geſegnet mit Kindern und Kin-
deskindern, die noch gruͤnen und bluͤhen und

Fruͤcht’
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[600/0612] lich aͤhnlich, als mir keiner von allen meinen Kindern und Groskindern iſt, die mir all’ aͤhnlicher ſind, als jene. Alle Leute nann- ten den Seligen: Großvater, und der kleine Junge freute ſich druͤber, und that ſo alt, als wenn ers waͤre. Er iſt ein Theil von mir, ein Aſt vom Stamm, und ſoll da be- graben werden, wo ich einſt begraben zu wer- den den Meinigen anbefohlen habe. Nach- bar! wir wollen betruͤbt und froh ſeyn, ſo wie man in der Abenddaͤmmerung ſieht, und nicht ſieht. — O Greger! Es iſt ein koͤſtlich Ding, wie unſer Paſtor ſagt, zu ſterben, eh man ſtirbt! Was meinſt du, wenn man ſich begraben ſieht? Du biſt geſtorben, Gre- ger, eh du ſtarbſt, du haſt dich begraben ge- ſehen, und lebſt; denn dein Weib, Wittwer, war du ſelbſt! Sieh, ich habe noch all die Meinigen; nur Jacob den Hauptenkel hab’ ich verloren, den begrab’ ich heute! Da liegt er ſchon auf einem weißen Laken, du wirſt ihm folgen mit deiner ſeligen Frauen Schwe- ſter in einem Paar! Ich werde mir ſelbſt folgen mit meinem Weibe Hand in Hand. Gott geb’ ich ſtuͤrb mit ihr paarweiſ’! Zwar hat mich Gott geſegnet mit Kindern und Kin- deskindern, die noch gruͤnen und bluͤhen und Fruͤcht’

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/612>, abgerufen am 24.11.2024.