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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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es ihm doch bedenklich, weil ich nicht von
Adel war, und wie hätt' ich mir ein ander
Schicksal, als der Mann mit dem einem Hand-
schu
, versprechen können, der a Dato nach
sieben Tagen sterben wird. -- Er kämpft'
indessen, weil es seine Tochter betraf, mei-
netwegen auf eine unbeschreibliche Art, und
endlich kam es dahin, daß er mit vielen
Complimenten sich bedankte, und diese Be-
gebenheit an den Rand zu verzeichnen sich
verbindlich machte; wie denn auch meine
Gesundheit bey Tafel von ihm ausgebracht
wurde. Es war eine unaussprechliche Höf-
lichkeit, mit der mir der Herr v. W. zu ver-
stehen gab, daß beym: was ist geschehen?
die Frage wer thats? nothwendig sey.

Höflichkeit und Festlichkeit scheinen und
sind zuweilen wirklich Antipoden: allein un-
ser Herr v. W. hatte diese Eigenschaften so
zusammen vereinigt, daß sie wie eins waren.
Beyde stammen vom Hofe: der Geringere
ist höflich aus Falschheit oder Furcht, der
Vornehme aus Stolz, und dies ist auch
die rechte Quelle der Festlichkeit. So wie
sich eine große freye Stadt zum Hofe ver-
hält, so die Urbanität, die Städlichkeit,
zur Höflichkeit.

Wenn
Zweiter Th. E

es ihm doch bedenklich, weil ich nicht von
Adel war, und wie haͤtt’ ich mir ein ander
Schickſal, als der Mann mit dem einem Hand-
ſchu
, verſprechen koͤnnen, der a Dato nach
ſieben Tagen ſterben wird. — Er kaͤmpft’
indeſſen, weil es ſeine Tochter betraf, mei-
netwegen auf eine unbeſchreibliche Art, und
endlich kam es dahin, daß er mit vielen
Complimenten ſich bedankte, und dieſe Be-
gebenheit an den Rand zu verzeichnen ſich
verbindlich machte; wie denn auch meine
Geſundheit bey Tafel von ihm ausgebracht
wurde. Es war eine unausſprechliche Hoͤf-
lichkeit, mit der mir der Herr v. W. zu ver-
ſtehen gab, daß beym: was iſt geſchehen?
die Frage wer thats? nothwendig ſey.

Hoͤflichkeit und Feſtlichkeit ſcheinen und
ſind zuweilen wirklich Antipoden: allein un-
ſer Herr v. W. hatte dieſe Eigenſchaften ſo
zuſammen vereinigt, daß ſie wie eins waren.
Beyde ſtammen vom Hofe: der Geringere
iſt hoͤflich aus Falſchheit oder Furcht, der
Vornehme aus Stolz, und dies iſt auch
die rechte Quelle der Feſtlichkeit. So wie
ſich eine große freye Stadt zum Hofe ver-
haͤlt, ſo die Urbanitaͤt, die Staͤdlichkeit,
zur Hoͤflichkeit.

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Zweiter Th. E
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[65/0071] es ihm doch bedenklich, weil ich nicht von Adel war, und wie haͤtt’ ich mir ein ander Schickſal, als der Mann mit dem einem Hand- ſchu, verſprechen koͤnnen, der a Dato nach ſieben Tagen ſterben wird. — Er kaͤmpft’ indeſſen, weil es ſeine Tochter betraf, mei- netwegen auf eine unbeſchreibliche Art, und endlich kam es dahin, daß er mit vielen Complimenten ſich bedankte, und dieſe Be- gebenheit an den Rand zu verzeichnen ſich verbindlich machte; wie denn auch meine Geſundheit bey Tafel von ihm ausgebracht wurde. Es war eine unausſprechliche Hoͤf- lichkeit, mit der mir der Herr v. W. zu ver- ſtehen gab, daß beym: was iſt geſchehen? die Frage wer thats? nothwendig ſey. Hoͤflichkeit und Feſtlichkeit ſcheinen und ſind zuweilen wirklich Antipoden: allein un- ſer Herr v. W. hatte dieſe Eigenſchaften ſo zuſammen vereinigt, daß ſie wie eins waren. Beyde ſtammen vom Hofe: der Geringere iſt hoͤflich aus Falſchheit oder Furcht, der Vornehme aus Stolz, und dies iſt auch die rechte Quelle der Feſtlichkeit. So wie ſich eine große freye Stadt zum Hofe ver- haͤlt, ſo die Urbanitaͤt, die Staͤdlichkeit, zur Hoͤflichkeit. Wenn Zweiter Th. E

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/71>, abgerufen am 23.11.2024.