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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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wochen zum voraus zu denken. Werden wir
darum eher sterben, weil wir den Tod in Er-
wegung nehmen? Eher begraben werden,
weil wir diese Gewichter, die uns zur Erde
ziehen, abschneiden? Willst du den Redlichen,
der nach Gott frägt und nach sich selbst, von
der Welt entfernen, gib ihm den Rath, sich
mit ihr zu verwickeln. Giebts eine größere
Aufforderung zum Memento mori-Orden, als
eben diese? Habt nicht lieb die Welt, noch
was in der Welt ist. Wer sich selbst ein Ver-
gnügen entziehet, gewinnt. Nur wenn an-
dere es uns entziehen, verlieren wir. Der ist
der glücklichste, der am wenigsten zu verlieren
hat. Besitzen wir das, was wir über ein
Kleines zurücklaßen müßen? Gott giebt al-
les, und behält nichts. Seyd wie Gott --
Jedweder gehet den rechten Weg, der recht
thut. Der Christ glaubt an Christum, der
göttlich auf Erden gewandelt hat; dergleichen
Erscheinungen glaubten auch unsere Väter.
Sind nicht noch der Erde die göttlichen Spu-
ren anzusehen von diesem heiligen göttlichen
Menschen? Ueberall Gottes Fußstapfen.
Wenn Gott auf Erden kommt, was kann er
anders, als Mensch seyn? Er begiebt sich
ins Fleisch, in den Menschen. Der Mensch

ist

wochen zum voraus zu denken. Werden wir
darum eher ſterben, weil wir den Tod in Er-
wegung nehmen? Eher begraben werden,
weil wir dieſe Gewichter, die uns zur Erde
ziehen, abſchneiden? Willſt du den Redlichen,
der nach Gott fraͤgt und nach ſich ſelbſt, von
der Welt entfernen, gib ihm den Rath, ſich
mit ihr zu verwickeln. Giebts eine groͤßere
Aufforderung zum Memento mori-Orden, als
eben dieſe? Habt nicht lieb die Welt, noch
was in der Welt iſt. Wer ſich ſelbſt ein Ver-
gnuͤgen entziehet, gewinnt. Nur wenn an-
dere es uns entziehen, verlieren wir. Der iſt
der gluͤcklichſte, der am wenigſten zu verlieren
hat. Beſitzen wir das, was wir uͤber ein
Kleines zuruͤcklaßen muͤßen? Gott giebt al-
les, und behaͤlt nichts. Seyd wie Gott —
Jedweder gehet den rechten Weg, der recht
thut. Der Chriſt glaubt an Chriſtum, der
goͤttlich auf Erden gewandelt hat; dergleichen
Erſcheinungen glaubten auch unſere Vaͤter.
Sind nicht noch der Erde die goͤttlichen Spu-
ren anzuſehen von dieſem heiligen goͤttlichen
Menſchen? Ueberall Gottes Fußſtapfen.
Wenn Gott auf Erden kommt, was kann er
anders, als Menſch ſeyn? Er begiebt ſich
ins Fleiſch, in den Menſchen. Der Menſch

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[171/0177] wochen zum voraus zu denken. Werden wir darum eher ſterben, weil wir den Tod in Er- wegung nehmen? Eher begraben werden, weil wir dieſe Gewichter, die uns zur Erde ziehen, abſchneiden? Willſt du den Redlichen, der nach Gott fraͤgt und nach ſich ſelbſt, von der Welt entfernen, gib ihm den Rath, ſich mit ihr zu verwickeln. Giebts eine groͤßere Aufforderung zum Memento mori-Orden, als eben dieſe? Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt iſt. Wer ſich ſelbſt ein Ver- gnuͤgen entziehet, gewinnt. Nur wenn an- dere es uns entziehen, verlieren wir. Der iſt der gluͤcklichſte, der am wenigſten zu verlieren hat. Beſitzen wir das, was wir uͤber ein Kleines zuruͤcklaßen muͤßen? Gott giebt al- les, und behaͤlt nichts. Seyd wie Gott — Jedweder gehet den rechten Weg, der recht thut. Der Chriſt glaubt an Chriſtum, der goͤttlich auf Erden gewandelt hat; dergleichen Erſcheinungen glaubten auch unſere Vaͤter. Sind nicht noch der Erde die goͤttlichen Spu- ren anzuſehen von dieſem heiligen goͤttlichen Menſchen? Ueberall Gottes Fußſtapfen. Wenn Gott auf Erden kommt, was kann er anders, als Menſch ſeyn? Er begiebt ſich ins Fleiſch, in den Menſchen. Der Menſch iſt

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/177>, abgerufen am 25.11.2024.