so in den Zeitungen steht, als habe er des Moses Lebensschlagbaum aufgemacht, und noch zehn Jahre drüber gelebt, und das klein- ste Kind, einen Tag gelebt. Methusalem, da er starb, kam nicht in die Zeitungen, darum steht er auch in der Bibel. Was wimmerst du, Unvernünftiger, lebt auch was, das nicht Vernunft hat? Du abbrevirest dein Leben, wie Geschwindschreiber, und machst es so un- leserlich, so ungestalt, daß du über ein Klei- nes selbst nicht klug daraus werden kannst. Die Natur ist nicht karg gewesen; allein du bist ein Praßer. Wer kann dir das Maul stopfen? Wer dich bereichern? Ein so großer Lebensdurchbringer, daß dich Gott mit seiner milden Rechten selbst nicht reich machen kann! Du dienst dem Publicum, und vernachläßigst dich selbst. Du sinnst Tag und Nacht, um das Geld, das dein Nachbar hat, dir zuzuwenden, es sey durch Handel und Wandel, oder Diebstal, das heißt: durch grobes und subtiles Stehlen, und wenn du Meere durchgekreuzet, und gute und falsche Wechsel unter die Leute gebracht, und endlich alles in deine Scheuren gehäuft hast; was ist deine Sammlung? Leben ists nicht. Das ist nicht feil in der Welt; du
allein
ſo in den Zeitungen ſteht, als habe er des Moſes Lebensſchlagbaum aufgemacht, und noch zehn Jahre druͤber gelebt, und das klein- ſte Kind, einen Tag gelebt. Methuſalem, da er ſtarb, kam nicht in die Zeitungen, darum ſteht er auch in der Bibel. Was wimmerſt du, Unvernuͤnftiger, lebt auch was, das nicht Vernunft hat? Du abbrevireſt dein Leben, wie Geſchwindſchreiber, und machſt es ſo un- leſerlich, ſo ungeſtalt, daß du uͤber ein Klei- nes ſelbſt nicht klug daraus werden kannſt. Die Natur iſt nicht karg geweſen; allein du biſt ein Praßer. Wer kann dir das Maul ſtopfen? Wer dich bereichern? Ein ſo großer Lebensdurchbringer, daß dich Gott mit ſeiner milden Rechten ſelbſt nicht reich machen kann! Du dienſt dem Publicum, und vernachlaͤßigſt dich ſelbſt. Du ſinnſt Tag und Nacht, um das Geld, das dein Nachbar hat, dir zuzuwenden, es ſey durch Handel und Wandel, oder Diebſtal, das heißt: durch grobes und ſubtiles Stehlen, und wenn du Meere durchgekreuzet, und gute und falſche Wechſel unter die Leute gebracht, und endlich alles in deine Scheuren gehaͤuft haſt; was iſt deine Sammlung? Leben iſts nicht. Das iſt nicht feil in der Welt; du
allein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="176"/>ſo in den Zeitungen ſteht, als habe er des<lb/>
Moſes Lebensſchlagbaum aufgemacht, und<lb/>
noch zehn Jahre druͤber gelebt, und das klein-<lb/>ſte Kind, einen Tag gelebt. Methuſalem, da<lb/>
er ſtarb, kam nicht in die Zeitungen, darum<lb/>ſteht er auch in der Bibel. Was wimmerſt<lb/>
du, Unvernuͤnftiger, lebt auch was, das nicht<lb/>
Vernunft hat? Du abbrevireſt dein Leben,<lb/>
wie Geſchwindſchreiber, und machſt es ſo un-<lb/>
leſerlich, ſo ungeſtalt, daß du uͤber ein Klei-<lb/>
nes ſelbſt nicht klug daraus werden kannſt.<lb/>
Die Natur iſt nicht karg geweſen; allein du<lb/>
biſt ein Praßer. Wer kann dir das Maul<lb/>ſtopfen? Wer dich bereichern? Ein ſo<lb/>
großer Lebensdurchbringer, daß dich Gott<lb/>
mit ſeiner milden Rechten ſelbſt nicht reich<lb/>
machen kann! Du dienſt dem Publicum,<lb/>
und vernachlaͤßigſt dich ſelbſt. Du ſinnſt<lb/>
Tag und Nacht, um das Geld, das dein<lb/>
Nachbar hat, dir zuzuwenden, es ſey durch<lb/>
Handel und Wandel, oder Diebſtal, das<lb/>
heißt: durch grobes und ſubtiles Stehlen,<lb/>
und wenn du Meere durchgekreuzet, und gute<lb/>
und falſche Wechſel unter die Leute gebracht,<lb/>
und endlich alles in deine Scheuren gehaͤuft<lb/>
haſt; was iſt deine Sammlung? Leben iſts<lb/>
nicht. Das iſt nicht feil in der Welt; du<lb/><fwplace="bottom"type="catch">allein</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[176/0182]
ſo in den Zeitungen ſteht, als habe er des
Moſes Lebensſchlagbaum aufgemacht, und
noch zehn Jahre druͤber gelebt, und das klein-
ſte Kind, einen Tag gelebt. Methuſalem, da
er ſtarb, kam nicht in die Zeitungen, darum
ſteht er auch in der Bibel. Was wimmerſt
du, Unvernuͤnftiger, lebt auch was, das nicht
Vernunft hat? Du abbrevireſt dein Leben,
wie Geſchwindſchreiber, und machſt es ſo un-
leſerlich, ſo ungeſtalt, daß du uͤber ein Klei-
nes ſelbſt nicht klug daraus werden kannſt.
Die Natur iſt nicht karg geweſen; allein du
biſt ein Praßer. Wer kann dir das Maul
ſtopfen? Wer dich bereichern? Ein ſo
großer Lebensdurchbringer, daß dich Gott
mit ſeiner milden Rechten ſelbſt nicht reich
machen kann! Du dienſt dem Publicum,
und vernachlaͤßigſt dich ſelbſt. Du ſinnſt
Tag und Nacht, um das Geld, das dein
Nachbar hat, dir zuzuwenden, es ſey durch
Handel und Wandel, oder Diebſtal, das
heißt: durch grobes und ſubtiles Stehlen,
und wenn du Meere durchgekreuzet, und gute
und falſche Wechſel unter die Leute gebracht,
und endlich alles in deine Scheuren gehaͤuft
haſt; was iſt deine Sammlung? Leben iſts
nicht. Das iſt nicht feil in der Welt; du
allein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/182>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.