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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Grabmählern stehen: sey getrost, Wanderer,
genies das Leben, denn es ist kurz! Wer den
Tod zuerst als ein heßliches Gerippe vorstellte,
war gewis ein junger Mahler, der seine Ge-
liebte verlohren hatte. Die Griechen mahlten
ihn als einen Engel, und wahrlich er ist ein
Engel, ein Bote Gottes zur Ablösung. Der
Tod ist die gröste Gabe des Höchsten. Den
Seinen schenkt er den Tod. Jene fromme
Mutter, die ihre beyden Söhne, vor einem
Wagen gespannt, in den Tempel zogen, bat
die Götter, diese fromme Handlung mit der
besten Gabe zu lohnen. Den Morgen fand
man beide im Bette in den Tod eingeschlafen.
Tod und Schlaf sind Kinder von zween Vä-
tern und einer guten Mutter. Ist es nicht
gut, daß die Feßeln sich abnutzen, und wir
endlich aufhören Rudersclaven zu seyn? Der
Tod ist der lezte Auftrit in der Reihe von
Stuffen. Wir sind schon bis auf den lezten
Tritt todt, eh wir sterben.

Die Liebe duldet alles; allein sie hoft auch
alles. Wie wohl wird uns seyn, wenn wir,
unter dem Lindenschatten, des Tages Last und
Hitze vergeßen, und uns von der Arbeit er-
hohlen werden! Wie wohl, wenn wir von
den Ungerechtigkeiten der Welt, noch ans

Thal

Grabmaͤhlern ſtehen: ſey getroſt, Wanderer,
genies das Leben, denn es iſt kurz! Wer den
Tod zuerſt als ein heßliches Gerippe vorſtellte,
war gewis ein junger Mahler, der ſeine Ge-
liebte verlohren hatte. Die Griechen mahlten
ihn als einen Engel, und wahrlich er iſt ein
Engel, ein Bote Gottes zur Abloͤſung. Der
Tod iſt die groͤſte Gabe des Hoͤchſten. Den
Seinen ſchenkt er den Tod. Jene fromme
Mutter, die ihre beyden Soͤhne, vor einem
Wagen geſpannt, in den Tempel zogen, bat
die Goͤtter, dieſe fromme Handlung mit der
beſten Gabe zu lohnen. Den Morgen fand
man beide im Bette in den Tod eingeſchlafen.
Tod und Schlaf ſind Kinder von zween Vaͤ-
tern und einer guten Mutter. Iſt es nicht
gut, daß die Feßeln ſich abnutzen, und wir
endlich aufhoͤren Ruderſclaven zu ſeyn? Der
Tod iſt der lezte Auftrit in der Reihe von
Stuffen. Wir ſind ſchon bis auf den lezten
Tritt todt, eh wir ſterben.

Die Liebe duldet alles; allein ſie hoft auch
alles. Wie wohl wird uns ſeyn, wenn wir,
unter dem Lindenſchatten, des Tages Laſt und
Hitze vergeßen, und uns von der Arbeit er-
hohlen werden! Wie wohl, wenn wir von
den Ungerechtigkeiten der Welt, noch ans

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[186/0192] Grabmaͤhlern ſtehen: ſey getroſt, Wanderer, genies das Leben, denn es iſt kurz! Wer den Tod zuerſt als ein heßliches Gerippe vorſtellte, war gewis ein junger Mahler, der ſeine Ge- liebte verlohren hatte. Die Griechen mahlten ihn als einen Engel, und wahrlich er iſt ein Engel, ein Bote Gottes zur Abloͤſung. Der Tod iſt die groͤſte Gabe des Hoͤchſten. Den Seinen ſchenkt er den Tod. Jene fromme Mutter, die ihre beyden Soͤhne, vor einem Wagen geſpannt, in den Tempel zogen, bat die Goͤtter, dieſe fromme Handlung mit der beſten Gabe zu lohnen. Den Morgen fand man beide im Bette in den Tod eingeſchlafen. Tod und Schlaf ſind Kinder von zween Vaͤ- tern und einer guten Mutter. Iſt es nicht gut, daß die Feßeln ſich abnutzen, und wir endlich aufhoͤren Ruderſclaven zu ſeyn? Der Tod iſt der lezte Auftrit in der Reihe von Stuffen. Wir ſind ſchon bis auf den lezten Tritt todt, eh wir ſterben. Die Liebe duldet alles; allein ſie hoft auch alles. Wie wohl wird uns ſeyn, wenn wir, unter dem Lindenſchatten, des Tages Laſt und Hitze vergeßen, und uns von der Arbeit er- hohlen werden! Wie wohl, wenn wir von den Ungerechtigkeiten der Welt, noch ans Thal

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/192>, abgerufen am 23.11.2024.