prüft, geläutert und bewährt. Es giebt Tu- genden, die nicht anders, als in einem niedri- gen schattigen Thal' auf dürrem Boden wach- sen können. Darum die Welt, und darum auch die andere! Es kann alles aus uns werden, was Gott will. Zwar wißen wir's nicht, wir glauben es nur. Die Vorsicht hat weise, große Absichten in diesen Schleyer der Ungewisheit gehüllet; allein brauchen wir mehr als Wahrscheinlichkeit? Wir sollen nicht in der Welt die Hände in den Schoos legen. Welch eine andre Wendung würde die Welt gewinnen, wenn wir auf einmal wüsten, was wir hoffen? Würden wir noch einen freyen Willen behalten, und würden wir nicht nur blos so fromm und gut seyn, als wir jezt uns gerade halten? Die Chri- sten wißen es gewis, wie sie sagen, daß sie bleiben werden; allein leben sie wohl so, als wüsten sie mehr davon, als wir? So Etwas muß das Leben ausweisen. Wenn die Lehrer des Volks selbst Erscheinungsgeschichten, die sich nicht aus den Wochenstuben herschreiben, hören, wie fahren sie in einander, wie erschre- cken sie! Ich will den ehrlichen Kerls unter ihnen keinen Vorwurf machen, wenn sie es aber so gewiß wüsten, als ihre selbst hiesige
Exi-
pruͤft, gelaͤutert und bewaͤhrt. Es giebt Tu- genden, die nicht anders, als in einem niedri- gen ſchattigen Thal’ auf duͤrrem Boden wach- ſen koͤnnen. Darum die Welt, und darum auch die andere! Es kann alles aus uns werden, was Gott will. Zwar wißen wir’s nicht, wir glauben es nur. Die Vorſicht hat weiſe, große Abſichten in dieſen Schleyer der Ungewisheit gehuͤllet; allein brauchen wir mehr als Wahrſcheinlichkeit? Wir ſollen nicht in der Welt die Haͤnde in den Schoos legen. Welch eine andre Wendung wuͤrde die Welt gewinnen, wenn wir auf einmal wuͤſten, was wir hoffen? Wuͤrden wir noch einen freyen Willen behalten, und wuͤrden wir nicht nur blos ſo fromm und gut ſeyn, als wir jezt uns gerade halten? Die Chri- ſten wißen es gewis, wie ſie ſagen, daß ſie bleiben werden; allein leben ſie wohl ſo, als wuͤſten ſie mehr davon, als wir? So Etwas muß das Leben ausweiſen. Wenn die Lehrer des Volks ſelbſt Erſcheinungsgeſchichten, die ſich nicht aus den Wochenſtuben herſchreiben, hoͤren, wie fahren ſie in einander, wie erſchre- cken ſie! Ich will den ehrlichen Kerls unter ihnen keinen Vorwurf machen, wenn ſie es aber ſo gewiß wuͤſten, als ihre ſelbſt hieſige
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pruͤft, gelaͤutert und bewaͤhrt. Es giebt Tu-
genden, die nicht anders, als in einem niedri-
gen ſchattigen Thal’ auf duͤrrem Boden wach-
ſen koͤnnen. Darum die Welt, und darum
auch die andere! Es kann alles aus uns
werden, was Gott will. Zwar wißen wir’s
nicht, wir glauben es nur. Die Vorſicht hat
weiſe, große Abſichten in dieſen Schleyer der
Ungewisheit gehuͤllet; allein brauchen wir
mehr als Wahrſcheinlichkeit? Wir ſollen
nicht in der Welt die Haͤnde in den Schoos
legen. Welch eine andre Wendung wuͤrde
die Welt gewinnen, wenn wir auf einmal
wuͤſten, was wir hoffen? Wuͤrden wir noch
einen freyen Willen behalten, und wuͤrden
wir nicht nur blos ſo fromm und gut ſeyn,
als wir jezt uns gerade halten? Die Chri-
ſten wißen es gewis, wie ſie ſagen, daß ſie
bleiben werden; allein leben ſie wohl ſo, als
wuͤſten ſie mehr davon, als wir? So Etwas
muß das Leben ausweiſen. Wenn die Lehrer
des Volks ſelbſt Erſcheinungsgeſchichten, die
ſich nicht aus den Wochenſtuben herſchreiben,
hoͤren, wie fahren ſie in einander, wie erſchre-
cken ſie! Ich will den ehrlichen Kerls unter
ihnen keinen Vorwurf machen, wenn ſie es
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/196>, abgerufen am 22.11.2024.
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