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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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und sodann flüchtigen Fuß setzen können, ohne
daß ihm Steckbriefe nachgesandt werden kön-
nen, ohne daß er einzuhohlen und zu bestra-
fen ist? Ist Tugend und Laster ein und
daßelbe Ding, und soll die That im stillen,
die Gott nachahmt, unerkannt und unbelohnt
bleiben? Wo denn die Bewegungsgründe
zu diesen göttlichen Thaten? Und wenn würd
ich aufhören zu fragen, wenn der Tod ewiger
Tod, ewige Verdammnis zur Vernichtung
wäre? Zwar wenn wir erwägen, wie der
Mensch auf die Welt kommt? Sieht es doch
fast so aus, als ob man Menschen säen könne.
Wie der Hausvater sich Federvieh schaft, so
der Monarch Unterthanen. Jener legt Eyer
unter die Henne; dieser schließt seine Wolken
auf, und läßt Freyheit und Ueberfluß in seinen
Staaten regnen! Und siehe da, es wird!
Ist aber dieser Gang der Natur, so unbedeu-
tend er anscheinet, nicht eben darum göttlich?
Der Mensch kann alles, und kann nichts.
Die Natur fängt ins Kleine an; allein wie
weit ins Große geht sie! Sie springt nicht,
sie geht mit bedächtigem Schritte. Was sind
wir, wenn wir auf die Welt kommen? Und
was, wenn wir herausgehen? Und zu was
sind wir denn nicht aufgelegt? Wir sind ge-

prüft,

und ſodann fluͤchtigen Fuß ſetzen koͤnnen, ohne
daß ihm Steckbriefe nachgeſandt werden koͤn-
nen, ohne daß er einzuhohlen und zu beſtra-
fen iſt? Iſt Tugend und Laſter ein und
daßelbe Ding, und ſoll die That im ſtillen,
die Gott nachahmt, unerkannt und unbelohnt
bleiben? Wo denn die Bewegungsgruͤnde
zu dieſen goͤttlichen Thaten? Und wenn wuͤrd
ich aufhoͤren zu fragen, wenn der Tod ewiger
Tod, ewige Verdammnis zur Vernichtung
waͤre? Zwar wenn wir erwaͤgen, wie der
Menſch auf die Welt kommt? Sieht es doch
faſt ſo aus, als ob man Menſchen ſaͤen koͤnne.
Wie der Hausvater ſich Federvieh ſchaft, ſo
der Monarch Unterthanen. Jener legt Eyer
unter die Henne; dieſer ſchließt ſeine Wolken
auf, und laͤßt Freyheit und Ueberfluß in ſeinen
Staaten regnen! Und ſiehe da, es wird!
Iſt aber dieſer Gang der Natur, ſo unbedeu-
tend er anſcheinet, nicht eben darum goͤttlich?
Der Menſch kann alles, und kann nichts.
Die Natur faͤngt ins Kleine an; allein wie
weit ins Große geht ſie! Sie ſpringt nicht,
ſie geht mit bedaͤchtigem Schritte. Was ſind
wir, wenn wir auf die Welt kommen? Und
was, wenn wir herausgehen? Und zu was
ſind wir denn nicht aufgelegt? Wir ſind ge-

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[189/0195] und ſodann fluͤchtigen Fuß ſetzen koͤnnen, ohne daß ihm Steckbriefe nachgeſandt werden koͤn- nen, ohne daß er einzuhohlen und zu beſtra- fen iſt? Iſt Tugend und Laſter ein und daßelbe Ding, und ſoll die That im ſtillen, die Gott nachahmt, unerkannt und unbelohnt bleiben? Wo denn die Bewegungsgruͤnde zu dieſen goͤttlichen Thaten? Und wenn wuͤrd ich aufhoͤren zu fragen, wenn der Tod ewiger Tod, ewige Verdammnis zur Vernichtung waͤre? Zwar wenn wir erwaͤgen, wie der Menſch auf die Welt kommt? Sieht es doch faſt ſo aus, als ob man Menſchen ſaͤen koͤnne. Wie der Hausvater ſich Federvieh ſchaft, ſo der Monarch Unterthanen. Jener legt Eyer unter die Henne; dieſer ſchließt ſeine Wolken auf, und laͤßt Freyheit und Ueberfluß in ſeinen Staaten regnen! Und ſiehe da, es wird! Iſt aber dieſer Gang der Natur, ſo unbedeu- tend er anſcheinet, nicht eben darum goͤttlich? Der Menſch kann alles, und kann nichts. Die Natur faͤngt ins Kleine an; allein wie weit ins Große geht ſie! Sie ſpringt nicht, ſie geht mit bedaͤchtigem Schritte. Was ſind wir, wenn wir auf die Welt kommen? Und was, wenn wir herausgehen? Und zu was ſind wir denn nicht aufgelegt? Wir ſind ge- pruͤft,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/195>, abgerufen am 23.11.2024.