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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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und Begierden abstirbt, im Sterben, und
was kann ihn scheiden von der Liebe Gottes?

Was braucht aber der Christ von den
göttlichen Absichten zu erklügeln? Er weiß,
daß der Herr alles wohl mache! Und das
ist genug.

Wenn andre leben, um nach dem Tode
einen Leichenstein zu verdienen, auf dem Le-
ben und Thaten eingeätzet sind, welchen ein
gedungener Haufe Leichenbegleiter für Geld
und gute Worte mit feilen Thränen taufte;
hat der Christ nicht lieb die Welt, noch was
in der Welt ist. -- Sein Name und Wapen,
wenn er sie aushauen läßt, sollen nur blos,
auch nach seinem Tode, ein gutes Beyspiel
stiften.

(Bey dieser Stelle sagte mir der Graf ins
Ohr: wenn ich meine Krone im Wapen sehe,
denk ich an die himmlische, und an die Perlen,
deren auch in der hohen Offenbarung gedacht
wird.) Der Mensch ist ein Hyroglyph der
ganzen Natur; wer es zu erklären und auf-
zulösen versteht, hat den Schlüßel zur Natur.
Der Leib gehört hiezu eben so, wie die Seele.
Glaubt mir, Freunde! Er muß was zu ver-
beißen haben, wenn die Seel' im Flug' ist,

und

und Begierden abſtirbt, im Sterben, und
was kann ihn ſcheiden von der Liebe Gottes?

Was braucht aber der Chriſt von den
goͤttlichen Abſichten zu erkluͤgeln? Er weiß,
daß der Herr alles wohl mache! Und das
iſt genug.

Wenn andre leben, um nach dem Tode
einen Leichenſtein zu verdienen, auf dem Le-
ben und Thaten eingeaͤtzet ſind, welchen ein
gedungener Haufe Leichenbegleiter fuͤr Geld
und gute Worte mit feilen Thraͤnen taufte;
hat der Chriſt nicht lieb die Welt, noch was
in der Welt iſt. — Sein Name und Wapen,
wenn er ſie aushauen laͤßt, ſollen nur blos,
auch nach ſeinem Tode, ein gutes Beyſpiel
ſtiften.

(Bey dieſer Stelle ſagte mir der Graf ins
Ohr: wenn ich meine Krone im Wapen ſehe,
denk ich an die himmliſche, und an die Perlen,
deren auch in der hohen Offenbarung gedacht
wird.) Der Menſch iſt ein Hyroglyph der
ganzen Natur; wer es zu erklaͤren und auf-
zuloͤſen verſteht, hat den Schluͤßel zur Natur.
Der Leib gehoͤrt hiezu eben ſo, wie die Seele.
Glaubt mir, Freunde! Er muß was zu ver-
beißen haben, wenn die Seel’ im Flug’ iſt,

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[214/0220] und Begierden abſtirbt, im Sterben, und was kann ihn ſcheiden von der Liebe Gottes? Was braucht aber der Chriſt von den goͤttlichen Abſichten zu erkluͤgeln? Er weiß, daß der Herr alles wohl mache! Und das iſt genug. Wenn andre leben, um nach dem Tode einen Leichenſtein zu verdienen, auf dem Le- ben und Thaten eingeaͤtzet ſind, welchen ein gedungener Haufe Leichenbegleiter fuͤr Geld und gute Worte mit feilen Thraͤnen taufte; hat der Chriſt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt iſt. — Sein Name und Wapen, wenn er ſie aushauen laͤßt, ſollen nur blos, auch nach ſeinem Tode, ein gutes Beyſpiel ſtiften. (Bey dieſer Stelle ſagte mir der Graf ins Ohr: wenn ich meine Krone im Wapen ſehe, denk ich an die himmliſche, und an die Perlen, deren auch in der hohen Offenbarung gedacht wird.) Der Menſch iſt ein Hyroglyph der ganzen Natur; wer es zu erklaͤren und auf- zuloͤſen verſteht, hat den Schluͤßel zur Natur. Der Leib gehoͤrt hiezu eben ſo, wie die Seele. Glaubt mir, Freunde! Er muß was zu ver- beißen haben, wenn die Seel’ im Flug’ iſt, und

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/220>, abgerufen am 10.05.2024.