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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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alles Vollkommnen! -- Wo ich göttlichen
Finger sehe, warum will ich denn da noch
meine Hand auch in die Nägelmahle legen,
um sagen zu können: mein Herr und mein
Gott! Empfindest du nicht in jedem deiner
Schicksale, (o Mensch, gieb auf dich acht!)
Gottes Wege? Fühlest du nicht, daß, so wie
Gott Einer ist, er dich auch so leite und führe,
als ob du der Einzige wärest, den er zu lei-
ten und zu führen hätte, und warum willst
du denn ein Zeichen am Himmel, um zum
Dank, zum Lob! Lob sey Gott! ohn Ende
aufgefordert zu werden? Laßt uns Hand ans
Werk legen, und wir werden finden, ob die
christliche Lehre von Gott sey, oder ob die
Bibel so von ihr selbst rede? Von dem Welt-
weisen heißt es, wie vom reichen Mann: er
starb und ward begraben. Die Herren Re-
censenten hielten ihm Reden und Predigten,
die Dichter sangen, und doch ward er begra-
ben. Vom Christen kann man, wie vom La-
zarus, sagen: er starb, und ward getragen
von den Engeln in Abrahams Schoos! --

Was habt ihr denn für einen Beweis, ru-
fen uns die Weisen zu? Verzeiht, ihr Her-
ren: Gott allein ist weise! Was aber unsern
Beweis betrift; so führen wir ihn menschlich.

Unser

alles Vollkommnen! — Wo ich goͤttlichen
Finger ſehe, warum will ich denn da noch
meine Hand auch in die Naͤgelmahle legen,
um ſagen zu koͤnnen: mein Herr und mein
Gott! Empfindeſt du nicht in jedem deiner
Schickſale, (o Menſch, gieb auf dich acht!)
Gottes Wege? Fuͤhleſt du nicht, daß, ſo wie
Gott Einer iſt, er dich auch ſo leite und fuͤhre,
als ob du der Einzige waͤreſt, den er zu lei-
ten und zu fuͤhren haͤtte, und warum willſt
du denn ein Zeichen am Himmel, um zum
Dank, zum Lob! Lob ſey Gott! ohn Ende
aufgefordert zu werden? Laßt uns Hand ans
Werk legen, und wir werden finden, ob die
chriſtliche Lehre von Gott ſey, oder ob die
Bibel ſo von ihr ſelbſt rede? Von dem Welt-
weiſen heißt es, wie vom reichen Mann: er
ſtarb und ward begraben. Die Herren Re-
cenſenten hielten ihm Reden und Predigten,
die Dichter ſangen, und doch ward er begra-
ben. Vom Chriſten kann man, wie vom La-
zarus, ſagen: er ſtarb, und ward getragen
von den Engeln in Abrahams Schoos! —

Was habt ihr denn fuͤr einen Beweis, ru-
fen uns die Weiſen zu? Verzeiht, ihr Her-
ren: Gott allein iſt weiſe! Was aber unſern
Beweis betrift; ſo fuͤhren wir ihn menſchlich.

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[224/0230] alles Vollkommnen! — Wo ich goͤttlichen Finger ſehe, warum will ich denn da noch meine Hand auch in die Naͤgelmahle legen, um ſagen zu koͤnnen: mein Herr und mein Gott! Empfindeſt du nicht in jedem deiner Schickſale, (o Menſch, gieb auf dich acht!) Gottes Wege? Fuͤhleſt du nicht, daß, ſo wie Gott Einer iſt, er dich auch ſo leite und fuͤhre, als ob du der Einzige waͤreſt, den er zu lei- ten und zu fuͤhren haͤtte, und warum willſt du denn ein Zeichen am Himmel, um zum Dank, zum Lob! Lob ſey Gott! ohn Ende aufgefordert zu werden? Laßt uns Hand ans Werk legen, und wir werden finden, ob die chriſtliche Lehre von Gott ſey, oder ob die Bibel ſo von ihr ſelbſt rede? Von dem Welt- weiſen heißt es, wie vom reichen Mann: er ſtarb und ward begraben. Die Herren Re- cenſenten hielten ihm Reden und Predigten, die Dichter ſangen, und doch ward er begra- ben. Vom Chriſten kann man, wie vom La- zarus, ſagen: er ſtarb, und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoos! — Was habt ihr denn fuͤr einen Beweis, ru- fen uns die Weiſen zu? Verzeiht, ihr Her- ren: Gott allein iſt weiſe! Was aber unſern Beweis betrift; ſo fuͤhren wir ihn menſchlich. Unſer

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/230>, abgerufen am 21.11.2024.