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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Sinnlichkeit Thür und Thor, schlägt alle
Schlösser auf, und findet im Zweifel so viel
Unterstützung, daß alles über und über geht.
Ja, wenn der Mensch funfzig Jahr' alt, und
des Tages Last und Hitze der Sinnlichkeit
getragen hat, dann, Freunde, könnte diese
Lehre weniger gefährlich seyn! --

Und doch ist sie gerade zuwider der lautern
Milch Christi, des Herrn, der ein herzliches
Zutrauen
von seinen Nachfolgern will!
Zweifel, Freunde, ist das schrecklichste, was
man sich denken kann! Wo Zweifel ist, wie
kann da Zutrauen seyn? Man will sich im
Schatten legen, eh noch die Bäume ausge-
schlagen sind. Man brennt sein Haus aus
eitler Baulust ab. Man ist nicht kalt, nicht
warm. Man hinket auf beyden Seiten. Ge-
lehrte Zweifler! guten Freunde! ihr dringt
aufs Thun, und wenn ich Euch sage: ihr
könnet, ohne zu wissen, ohne den Glauben,
ohne die Lehre Christi, nichts thun. Eine
Gottehrende Menschenliebe ist unsere Tugend.
Wir leihen dem Herrn, wenn wir den Armen
geben. Wir geben nicht mit dem Munde,
sondern mit dem Herzen, im Geist und in der
Wahrheit. Wir entäussern uns unser selbst
wenn wir Gutes thun.

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Sinnlichkeit Thuͤr und Thor, ſchlaͤgt alle
Schloͤſſer auf, und findet im Zweifel ſo viel
Unterſtuͤtzung, daß alles uͤber und uͤber geht.
Ja, wenn der Menſch funfzig Jahr’ alt, und
des Tages Laſt und Hitze der Sinnlichkeit
getragen hat, dann, Freunde, koͤnnte dieſe
Lehre weniger gefaͤhrlich ſeyn! —

Und doch iſt ſie gerade zuwider der lautern
Milch Chriſti, des Herrn, der ein herzliches
Zutrauen
von ſeinen Nachfolgern will!
Zweifel, Freunde, iſt das ſchrecklichſte, was
man ſich denken kann! Wo Zweifel iſt, wie
kann da Zutrauen ſeyn? Man will ſich im
Schatten legen, eh noch die Baͤume ausge-
ſchlagen ſind. Man brennt ſein Haus aus
eitler Bauluſt ab. Man iſt nicht kalt, nicht
warm. Man hinket auf beyden Seiten. Ge-
lehrte Zweifler! guten Freunde! ihr dringt
aufs Thun, und wenn ich Euch ſage: ihr
koͤnnet, ohne zu wiſſen, ohne den Glauben,
ohne die Lehre Chriſti, nichts thun. Eine
Gottehrende Menſchenliebe iſt unſere Tugend.
Wir leihen dem Herrn, wenn wir den Armen
geben. Wir geben nicht mit dem Munde,
ſondern mit dem Herzen, im Geiſt und in der
Wahrheit. Wir entaͤuſſern uns unſer ſelbſt
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[227/0233] Sinnlichkeit Thuͤr und Thor, ſchlaͤgt alle Schloͤſſer auf, und findet im Zweifel ſo viel Unterſtuͤtzung, daß alles uͤber und uͤber geht. Ja, wenn der Menſch funfzig Jahr’ alt, und des Tages Laſt und Hitze der Sinnlichkeit getragen hat, dann, Freunde, koͤnnte dieſe Lehre weniger gefaͤhrlich ſeyn! — Und doch iſt ſie gerade zuwider der lautern Milch Chriſti, des Herrn, der ein herzliches Zutrauen von ſeinen Nachfolgern will! Zweifel, Freunde, iſt das ſchrecklichſte, was man ſich denken kann! Wo Zweifel iſt, wie kann da Zutrauen ſeyn? Man will ſich im Schatten legen, eh noch die Baͤume ausge- ſchlagen ſind. Man brennt ſein Haus aus eitler Bauluſt ab. Man iſt nicht kalt, nicht warm. Man hinket auf beyden Seiten. Ge- lehrte Zweifler! guten Freunde! ihr dringt aufs Thun, und wenn ich Euch ſage: ihr koͤnnet, ohne zu wiſſen, ohne den Glauben, ohne die Lehre Chriſti, nichts thun. Eine Gottehrende Menſchenliebe iſt unſere Tugend. Wir leihen dem Herrn, wenn wir den Armen geben. Wir geben nicht mit dem Munde, ſondern mit dem Herzen, im Geiſt und in der Wahrheit. Wir entaͤuſſern uns unſer ſelbſt wenn wir Gutes thun. Eur P 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/233>, abgerufen am 21.11.2024.