Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Am sieben und zwanzigsten Sonntage nach
Trinitatis, wo, wie er sagt, die christliche
Illumination vorkommt, (das Evangelium
handelt von den fünf klugen und fünf thö-
richten Jungfrauen) schenkt der Graf zehn
Kirchenlichter, die bey der Communion (nach
der Gewohnheit in Preußen) brennen. --

An seinem Geburtstage legt' er sich zwey
Stunden in seinen Sarg, welches, wie mei-
nen geneigten Lesern bekannt ist, in der Haus-
rapelle steht, und zwar im Sterbhemde. --

Geduld, Standhaftigkeit, sagt' er einst-
mals zum Prediger, der von der Standhaf-
tigkeit und Geduld geprediget hatte, das sind
die einträglichsten Tugenden, und worinn be-
stehen sie? In der Fertigkeit, sich auf einen
Punkt einzuschränken, den man mit unver-
wandter Seele ansieht. In der Geschicklich-
keit, immer in diesen schwarzen Fleck zu tref-
fen. Mein Vater schlug Observationen vor;
allein der Graf schien sich auf einen einzigen
Punkt anzustrengen. Wer hat recht?

Der Graf war sehr glücklich im Rathen.
Er setzte sich nicht auf den Dreyfuß, wenn
er zum Voraus Dinge bestimmte. Er schüt-
telte dies aus dem Ermel. Er hielt sehr auf
Träume, und glaubte mit meiner Mutter,

daß

Am ſieben und zwanzigſten Sonntage nach
Trinitatis, wo, wie er ſagt, die chriſtliche
Illumination vorkommt, (das Evangelium
handelt von den fuͤnf klugen und fuͤnf thoͤ-
richten Jungfrauen) ſchenkt der Graf zehn
Kirchenlichter, die bey der Communion (nach
der Gewohnheit in Preußen) brennen. —

An ſeinem Geburtstage legt’ er ſich zwey
Stunden in ſeinen Sarg, welches, wie mei-
nen geneigten Leſern bekannt iſt, in der Haus-
rapelle ſteht, und zwar im Sterbhemde. —

Geduld, Standhaftigkeit, ſagt’ er einſt-
mals zum Prediger, der von der Standhaf-
tigkeit und Geduld geprediget hatte, das ſind
die eintraͤglichſten Tugenden, und worinn be-
ſtehen ſie? In der Fertigkeit, ſich auf einen
Punkt einzuſchraͤnken, den man mit unver-
wandter Seele anſieht. In der Geſchicklich-
keit, immer in dieſen ſchwarzen Fleck zu tref-
fen. Mein Vater ſchlug Obſervationen vor;
allein der Graf ſchien ſich auf einen einzigen
Punkt anzuſtrengen. Wer hat recht?

Der Graf war ſehr gluͤcklich im Rathen.
Er ſetzte ſich nicht auf den Dreyfuß, wenn
er zum Voraus Dinge beſtimmte. Er ſchuͤt-
telte dies aus dem Ermel. Er hielt ſehr auf
Traͤume, und glaubte mit meiner Mutter,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0242" n="236"/>
        <p>Am &#x017F;ieben und zwanzig&#x017F;ten Sonntage nach<lb/>
Trinitatis, wo, wie er &#x017F;agt, die chri&#x017F;tliche<lb/>
Illumination vorkommt, (das Evangelium<lb/>
handelt von den fu&#x0364;nf klugen und fu&#x0364;nf tho&#x0364;-<lb/>
richten Jungfrauen) &#x017F;chenkt der Graf zehn<lb/>
Kirchenlichter, die bey der Communion (nach<lb/>
der Gewohnheit in Preußen) brennen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>An &#x017F;einem Geburtstage legt&#x2019; er &#x017F;ich zwey<lb/>
Stunden in &#x017F;einen Sarg, welches, wie mei-<lb/>
nen geneigten Le&#x017F;ern bekannt i&#x017F;t, in der Haus-<lb/>
rapelle &#x017F;teht, und zwar im Sterbhemde. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Geduld, Standhaftigkeit, &#x017F;agt&#x2019; er ein&#x017F;t-<lb/>
mals zum Prediger, der von der Standhaf-<lb/>
tigkeit und Geduld geprediget hatte, das &#x017F;ind<lb/>
die eintra&#x0364;glich&#x017F;ten Tugenden, und worinn be-<lb/>
&#x017F;tehen &#x017F;ie? In der Fertigkeit, &#x017F;ich auf einen<lb/>
Punkt einzu&#x017F;chra&#x0364;nken, den man mit unver-<lb/>
wandter Seele an&#x017F;ieht. In der Ge&#x017F;chicklich-<lb/>
keit, immer in die&#x017F;en &#x017F;chwarzen Fleck zu tref-<lb/>
fen. Mein Vater &#x017F;chlug Ob&#x017F;ervationen vor;<lb/>
allein der Graf &#x017F;chien &#x017F;ich auf einen einzigen<lb/>
Punkt anzu&#x017F;trengen. Wer hat recht?</p><lb/>
        <p>Der Graf war &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich im Rathen.<lb/>
Er &#x017F;etzte &#x017F;ich nicht auf den Dreyfuß, wenn<lb/>
er zum Voraus Dinge be&#x017F;timmte. Er &#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
telte dies aus dem Ermel. Er hielt &#x017F;ehr auf<lb/>
Tra&#x0364;ume, und glaubte mit meiner Mutter,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0242] Am ſieben und zwanzigſten Sonntage nach Trinitatis, wo, wie er ſagt, die chriſtliche Illumination vorkommt, (das Evangelium handelt von den fuͤnf klugen und fuͤnf thoͤ- richten Jungfrauen) ſchenkt der Graf zehn Kirchenlichter, die bey der Communion (nach der Gewohnheit in Preußen) brennen. — An ſeinem Geburtstage legt’ er ſich zwey Stunden in ſeinen Sarg, welches, wie mei- nen geneigten Leſern bekannt iſt, in der Haus- rapelle ſteht, und zwar im Sterbhemde. — Geduld, Standhaftigkeit, ſagt’ er einſt- mals zum Prediger, der von der Standhaf- tigkeit und Geduld geprediget hatte, das ſind die eintraͤglichſten Tugenden, und worinn be- ſtehen ſie? In der Fertigkeit, ſich auf einen Punkt einzuſchraͤnken, den man mit unver- wandter Seele anſieht. In der Geſchicklich- keit, immer in dieſen ſchwarzen Fleck zu tref- fen. Mein Vater ſchlug Obſervationen vor; allein der Graf ſchien ſich auf einen einzigen Punkt anzuſtrengen. Wer hat recht? Der Graf war ſehr gluͤcklich im Rathen. Er ſetzte ſich nicht auf den Dreyfuß, wenn er zum Voraus Dinge beſtimmte. Er ſchuͤt- telte dies aus dem Ermel. Er hielt ſehr auf Traͤume, und glaubte mit meiner Mutter, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/242
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/242>, abgerufen am 21.11.2024.