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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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daß andere Geister alsdenn die Thüre offen
fänden, um sich mit ihres Gleichen zu un-
terhalten.

Die Welt, sagte der Graf, ist ein Gar-
ten in Norden, wo nur wenig reif wird. Er
aß gern Brunnenkreß und Raute. --

Nichts konnt' ihn mehr ärgern, als wenn
sich der Mensch den Schlaf aus Lebensgeiz
entzog. Es ist gleich viel, auf dem Ball,
oder in der Studirstube, überm Leben den Tod
vergeßen.

Der Graf sah entweder gen Himmel, oder
auf die Erde. Leute, die den Kopf von ei-
ner Seite zur andern werfen, sind nicht so,
nicht so, sind Zweifler, sind aufgeschosnes
Rohr, das der Wind hin und her treibt.
Herauf oder herab.

Pathengeschenke gab er nicht eher, als
bis der Pathe zum erstenmal zur Communion
gieng. Ein schwarzes Kleid war das geweih-
te Geschenk.

Seine Bücher waren schwarz eingebun-
den. Silberne Griffe, sagt' er, das heißt:
der Titel war mit versilberten Buchstaben
eingestochen.

Wenn man fällt, besieht man die Stelle,
wo man gefallen ist. Der Geist wird sich ge-

wis

daß andere Geiſter alsdenn die Thuͤre offen
faͤnden, um ſich mit ihres Gleichen zu un-
terhalten.

Die Welt, ſagte der Graf, iſt ein Gar-
ten in Norden, wo nur wenig reif wird. Er
aß gern Brunnenkreß und Raute. —

Nichts konnt’ ihn mehr aͤrgern, als wenn
ſich der Menſch den Schlaf aus Lebensgeiz
entzog. Es iſt gleich viel, auf dem Ball,
oder in der Studirſtube, uͤberm Leben den Tod
vergeßen.

Der Graf ſah entweder gen Himmel, oder
auf die Erde. Leute, die den Kopf von ei-
ner Seite zur andern werfen, ſind nicht ſo,
nicht ſo, ſind Zweifler, ſind aufgeſchosnes
Rohr, das der Wind hin und her treibt.
Herauf oder herab.

Pathengeſchenke gab er nicht eher, als
bis der Pathe zum erſtenmal zur Communion
gieng. Ein ſchwarzes Kleid war das geweih-
te Geſchenk.

Seine Buͤcher waren ſchwarz eingebun-
den. Silberne Griffe, ſagt’ er, das heißt:
der Titel war mit verſilberten Buchſtaben
eingeſtochen.

Wenn man faͤllt, beſieht man die Stelle,
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[237/0243] daß andere Geiſter alsdenn die Thuͤre offen faͤnden, um ſich mit ihres Gleichen zu un- terhalten. Die Welt, ſagte der Graf, iſt ein Gar- ten in Norden, wo nur wenig reif wird. Er aß gern Brunnenkreß und Raute. — Nichts konnt’ ihn mehr aͤrgern, als wenn ſich der Menſch den Schlaf aus Lebensgeiz entzog. Es iſt gleich viel, auf dem Ball, oder in der Studirſtube, uͤberm Leben den Tod vergeßen. Der Graf ſah entweder gen Himmel, oder auf die Erde. Leute, die den Kopf von ei- ner Seite zur andern werfen, ſind nicht ſo, nicht ſo, ſind Zweifler, ſind aufgeſchosnes Rohr, das der Wind hin und her treibt. Herauf oder herab. Pathengeſchenke gab er nicht eher, als bis der Pathe zum erſtenmal zur Communion gieng. Ein ſchwarzes Kleid war das geweih- te Geſchenk. Seine Buͤcher waren ſchwarz eingebun- den. Silberne Griffe, ſagt’ er, das heißt: der Titel war mit verſilberten Buchſtaben eingeſtochen. Wenn man faͤllt, beſieht man die Stelle, wo man gefallen iſt. Der Geiſt wird ſich ge- wis

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/243>, abgerufen am 09.05.2024.