Amalia zu lieben verstünde, gekannt, würd' ich ihn stehendes Fußes gewarnt haben; allein jetzt, dacht' ich, wird sich alles geben. --
Da fand ich ein Glas voll Rosen, zwar ausserhalb der Jahreszeit, wie alles am Hof' und in der Stadt ist, doch anziehend. Vier Rosen waren aufgeblüht, und eine Knospe. Gott verzeih mir meine schwere Sünden, daß mir in einem Musikzimmer, bey so viel Glanz und Lichtern, nur Mine einfiel. -- Der gräf- liche Todtengräber liebt auch viele Lichter, und man sage, was man will, Lichter (die Menge thut nichts dagegen) haben etwas melancholisches, etwas von Mondschein bey sich. -- Eine heilige! -- meine heilige! -- mein Schutzgeist -- wie in diesem Saal der Eitel- keit? -- Wie stimmet Himmel und Erde, See- ligkeit und Weltfreude? Doch, war es nicht bey einer Rosenknospe, ihrem Ebenbild! --
Da war dies Knospchen unter ihren auf- geblühtern Schwestern. Es schien gerungen zu haben, sich heraus zu helfen: allein ver- gebens. Bleich, abgezehrt, begab es sich in die liebe Geduld; es spürte wohl, daß es nie zum Aufbruch kommen würde. Gott dacht' ich, und sah gen Himmel! Eine Platzträne
fiel
Amalia zu lieben verſtuͤnde, gekannt, wuͤrd’ ich ihn ſtehendes Fußes gewarnt haben; allein jetzt, dacht’ ich, wird ſich alles geben. —
Da fand ich ein Glas voll Roſen, zwar auſſerhalb der Jahreszeit, wie alles am Hof’ und in der Stadt iſt, doch anziehend. Vier Roſen waren aufgebluͤht, und eine Knoſpe. Gott verzeih mir meine ſchwere Suͤnden, daß mir in einem Muſikzimmer, bey ſo viel Glanz und Lichtern, nur Mine einfiel. — Der graͤf- liche Todtengraͤber liebt auch viele Lichter, und man ſage, was man will, Lichter (die Menge thut nichts dagegen) haben etwas melancholiſches, etwas von Mondſchein bey ſich. — Eine heilige! — meine heilige! — mein Schutzgeiſt — wie in dieſem Saal der Eitel- keit? — Wie ſtimmet Himmel und Erde, See- ligkeit und Weltfreude? Doch, war es nicht bey einer Roſenknoſpe, ihrem Ebenbild! —
Da war dies Knoſpchen unter ihren auf- gebluͤhtern Schweſtern. Es ſchien gerungen zu haben, ſich heraus zu helfen: allein ver- gebens. Bleich, abgezehrt, begab es ſich in die liebe Geduld; es ſpuͤrte wohl, daß es nie zum Aufbruch kommen wuͤrde. Gott dacht’ ich, und ſah gen Himmel! Eine Platztraͤne
fiel
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Amalia zu lieben verſtuͤnde, gekannt, wuͤrd’
ich ihn ſtehendes Fußes gewarnt haben; allein
jetzt, dacht’ ich, wird ſich alles geben. —
Da fand ich ein Glas voll Roſen, zwar
auſſerhalb der Jahreszeit, wie alles am Hof’
und in der Stadt iſt, doch anziehend. Vier
Roſen waren aufgebluͤht, und eine Knoſpe.
Gott verzeih mir meine ſchwere Suͤnden, daß
mir in einem Muſikzimmer, bey ſo viel Glanz
und Lichtern, nur Mine einfiel. — Der graͤf-
liche Todtengraͤber liebt auch viele Lichter,
und man ſage, was man will, Lichter (die
Menge thut nichts dagegen) haben etwas
melancholiſches, etwas von Mondſchein bey
ſich. — Eine heilige! — meine heilige! — mein
Schutzgeiſt — wie in dieſem Saal der Eitel-
keit? — Wie ſtimmet Himmel und Erde, See-
ligkeit und Weltfreude? Doch, war es nicht
bey einer Roſenknoſpe, ihrem Ebenbild! —
Da war dies Knoſpchen unter ihren auf-
gebluͤhtern Schweſtern. Es ſchien gerungen
zu haben, ſich heraus zu helfen: allein ver-
gebens. Bleich, abgezehrt, begab es ſich in
die liebe Geduld; es ſpuͤrte wohl, daß es nie
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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