ich auch mit meiner Mine auf dem unver- zäunten Hauptkirchhofe. O hier ist gut seyn! Man kann sich auf diesem Kirchhofe kaum des Gedankens erwehren, daß die Abgeschie- denen hier im Mondenschein sich regen und bewegen, wie meine Mutter sich ausdrücken würde.
Der Todtengräber dieses Sprengels woh- net ohnweit dem Kirchhofe; sein Hauptfen- ster gehet hinein. Da er mich unfehlbar mit Einem Gesichte, worauf Tod und Begräbnis deutlich zu lesen war, herumwanken und Stell' und Ort suchen sahe, kam er mit einer eiser- nen Stange zum Vorschein, und fragte mich, was mein Begehren sey? Die eiserne Stan- ge diente ihm beym Grabmachen, um zu ver- suchen, ob auch tief genug, ohne einem fri- schen Sarge zu nahe zu kommen, gegraben werden konnte. Ich kann den Kirchhof em- pfehlen, wenn es was zu begraben giebt, fieng er zu mir an. Wie sehr überraschte mich der Todtengräber mit seiner Stange und sei- ner Frage! Ich erwiedert' ihm mit schwerem Herzen, daß ich ein Liebhaber von Kirchhöfen wäre, und eben einen getroffen hätte, der mir sehr gefiel. Sie sind nicht der erste, der die- sen Kirchhof schön findet. Der Graf v --
besucht'
ich auch mit meiner Mine auf dem unver- zaͤunten Hauptkirchhofe. O hier iſt gut ſeyn! Man kann ſich auf dieſem Kirchhofe kaum des Gedankens erwehren, daß die Abgeſchie- denen hier im Mondenſchein ſich regen und bewegen, wie meine Mutter ſich ausdruͤcken wuͤrde.
Der Todtengraͤber dieſes Sprengels woh- net ohnweit dem Kirchhofe; ſein Hauptfen- ſter gehet hinein. Da er mich unfehlbar mit Einem Geſichte, worauf Tod und Begraͤbnis deutlich zu leſen war, herumwanken und Stell’ und Ort ſuchen ſahe, kam er mit einer eiſer- nen Stange zum Vorſchein, und fragte mich, was mein Begehren ſey? Die eiſerne Stan- ge diente ihm beym Grabmachen, um zu ver- ſuchen, ob auch tief genug, ohne einem fri- ſchen Sarge zu nahe zu kommen, gegraben werden konnte. Ich kann den Kirchhof em- pfehlen, wenn es was zu begraben giebt, fieng er zu mir an. Wie ſehr uͤberraſchte mich der Todtengraͤber mit ſeiner Stange und ſei- ner Frage! Ich erwiedert’ ihm mit ſchwerem Herzen, daß ich ein Liebhaber von Kirchhoͤfen waͤre, und eben einen getroffen haͤtte, der mir ſehr gefiel. Sie ſind nicht der erſte, der die- ſen Kirchhof ſchoͤn findet. Der Graf v —
beſucht’
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="267"/>
ich auch mit meiner Mine auf dem unver-<lb/>
zaͤunten Hauptkirchhofe. O hier iſt gut ſeyn!<lb/>
Man kann ſich auf dieſem Kirchhofe kaum<lb/>
des Gedankens erwehren, daß die Abgeſchie-<lb/>
denen hier im Mondenſchein ſich regen und<lb/>
bewegen, wie meine Mutter ſich ausdruͤcken<lb/>
wuͤrde.</p><lb/><p>Der Todtengraͤber dieſes Sprengels woh-<lb/>
net ohnweit dem Kirchhofe; ſein Hauptfen-<lb/>ſter gehet hinein. Da er mich unfehlbar mit<lb/>
Einem Geſichte, worauf Tod und Begraͤbnis<lb/>
deutlich zu leſen war, herumwanken und Stell’<lb/>
und Ort ſuchen ſahe, kam er mit einer eiſer-<lb/>
nen Stange zum Vorſchein, und fragte mich,<lb/>
was mein Begehren ſey? Die eiſerne Stan-<lb/>
ge diente ihm beym Grabmachen, um zu ver-<lb/>ſuchen, ob auch tief genug, ohne einem fri-<lb/>ſchen Sarge zu nahe zu kommen, gegraben<lb/>
werden konnte. Ich kann den Kirchhof em-<lb/>
pfehlen, wenn es was zu begraben giebt,<lb/>
fieng er zu mir an. Wie ſehr uͤberraſchte mich<lb/>
der Todtengraͤber mit ſeiner Stange und ſei-<lb/>
ner Frage! Ich erwiedert’ ihm mit ſchwerem<lb/>
Herzen, daß ich ein Liebhaber von Kirchhoͤfen<lb/>
waͤre, und eben einen getroffen haͤtte, der mir<lb/>ſehr gefiel. Sie ſind nicht der erſte, der die-<lb/>ſen Kirchhof ſchoͤn findet. Der Graf v —<lb/><fwplace="bottom"type="catch">beſucht’</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[267/0273]
ich auch mit meiner Mine auf dem unver-
zaͤunten Hauptkirchhofe. O hier iſt gut ſeyn!
Man kann ſich auf dieſem Kirchhofe kaum
des Gedankens erwehren, daß die Abgeſchie-
denen hier im Mondenſchein ſich regen und
bewegen, wie meine Mutter ſich ausdruͤcken
wuͤrde.
Der Todtengraͤber dieſes Sprengels woh-
net ohnweit dem Kirchhofe; ſein Hauptfen-
ſter gehet hinein. Da er mich unfehlbar mit
Einem Geſichte, worauf Tod und Begraͤbnis
deutlich zu leſen war, herumwanken und Stell’
und Ort ſuchen ſahe, kam er mit einer eiſer-
nen Stange zum Vorſchein, und fragte mich,
was mein Begehren ſey? Die eiſerne Stan-
ge diente ihm beym Grabmachen, um zu ver-
ſuchen, ob auch tief genug, ohne einem fri-
ſchen Sarge zu nahe zu kommen, gegraben
werden konnte. Ich kann den Kirchhof em-
pfehlen, wenn es was zu begraben giebt,
fieng er zu mir an. Wie ſehr uͤberraſchte mich
der Todtengraͤber mit ſeiner Stange und ſei-
ner Frage! Ich erwiedert’ ihm mit ſchwerem
Herzen, daß ich ein Liebhaber von Kirchhoͤfen
waͤre, und eben einen getroffen haͤtte, der mir
ſehr gefiel. Sie ſind nicht der erſte, der die-
ſen Kirchhof ſchoͤn findet. Der Graf v —
beſucht’
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/273>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.