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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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stützte sich auf sein Spies, diesem Paar wird
es ein Vergnügen gewesen seyn, ein ander
Paar guter Freunde bey sich zu sehen! Die
Gesellschaft kann auch den Todten nicht unan-
genehm seyn. Von je her sind Kirchhöfe ge-
wesen. Hier fiel mir die Sterbensmethode
des Grafen ein, die auch auf Gesellschaft hin-
ausgieng. Von der Erde, womit der liebe
Gott von Anfang, da er Himmel und Erde
schuf, diese Kugel bestreute, so wie meine
Hausmutter alle Sonntage unsere Prunkstu-
be, wird wohl schwerlich viel mehr übrig seyn.
In dieser Anfangserde war freylich kein pul-
verisirtes Gebein; allein unsere jetzige sind
wir selbst, bis auf die Seele! -- -- Nach
diesen Betrachtungen, welche der Todtengrä-
ber in beliebter Kürze und Einfalt, auf sein
Spies gelehnt, nicht ohne Bewegung der
Hände, bald zur Rechten, bald zur Linken,
hielt, und worinn ich seinen Hochgebohrnen
Meister in Lebensgröße fand, berichtigte ich
ihm meine Schuld, und er kam zur Nutzan-
wendung seiner angefangenen heiligen Rede,
die zwar seinem Text nicht angemessen war,
die indeßen aus gutem Herzen quoll. Vor
allen Dingen, fieng er an, schenke Ihnen der
liebe Gott Glück und Segen und ein langes

Leben!
S 4

ſtuͤtzte ſich auf ſein Spies, dieſem Paar wird
es ein Vergnuͤgen geweſen ſeyn, ein ander
Paar guter Freunde bey ſich zu ſehen! Die
Geſellſchaft kann auch den Todten nicht unan-
genehm ſeyn. Von je her ſind Kirchhoͤfe ge-
weſen. Hier fiel mir die Sterbensmethode
des Grafen ein, die auch auf Geſellſchaft hin-
ausgieng. Von der Erde, womit der liebe
Gott von Anfang, da er Himmel und Erde
ſchuf, dieſe Kugel beſtreute, ſo wie meine
Hausmutter alle Sonntage unſere Prunkſtu-
be, wird wohl ſchwerlich viel mehr uͤbrig ſeyn.
In dieſer Anfangserde war freylich kein pul-
veriſirtes Gebein; allein unſere jetzige ſind
wir ſelbſt, bis auf die Seele! — — Nach
dieſen Betrachtungen, welche der Todtengraͤ-
ber in beliebter Kuͤrze und Einfalt, auf ſein
Spies gelehnt, nicht ohne Bewegung der
Haͤnde, bald zur Rechten, bald zur Linken,
hielt, und worinn ich ſeinen Hochgebohrnen
Meiſter in Lebensgroͤße fand, berichtigte ich
ihm meine Schuld, und er kam zur Nutzan-
wendung ſeiner angefangenen heiligen Rede,
die zwar ſeinem Text nicht angemeſſen war,
die indeßen aus gutem Herzen quoll. Vor
allen Dingen, fieng er an, ſchenke Ihnen der
liebe Gott Gluͤck und Segen und ein langes

Leben!
S 4
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[279/0285] ſtuͤtzte ſich auf ſein Spies, dieſem Paar wird es ein Vergnuͤgen geweſen ſeyn, ein ander Paar guter Freunde bey ſich zu ſehen! Die Geſellſchaft kann auch den Todten nicht unan- genehm ſeyn. Von je her ſind Kirchhoͤfe ge- weſen. Hier fiel mir die Sterbensmethode des Grafen ein, die auch auf Geſellſchaft hin- ausgieng. Von der Erde, womit der liebe Gott von Anfang, da er Himmel und Erde ſchuf, dieſe Kugel beſtreute, ſo wie meine Hausmutter alle Sonntage unſere Prunkſtu- be, wird wohl ſchwerlich viel mehr uͤbrig ſeyn. In dieſer Anfangserde war freylich kein pul- veriſirtes Gebein; allein unſere jetzige ſind wir ſelbſt, bis auf die Seele! — — Nach dieſen Betrachtungen, welche der Todtengraͤ- ber in beliebter Kuͤrze und Einfalt, auf ſein Spies gelehnt, nicht ohne Bewegung der Haͤnde, bald zur Rechten, bald zur Linken, hielt, und worinn ich ſeinen Hochgebohrnen Meiſter in Lebensgroͤße fand, berichtigte ich ihm meine Schuld, und er kam zur Nutzan- wendung ſeiner angefangenen heiligen Rede, die zwar ſeinem Text nicht angemeſſen war, die indeßen aus gutem Herzen quoll. Vor allen Dingen, fieng er an, ſchenke Ihnen der liebe Gott Gluͤck und Segen und ein langes Leben! S 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/285>, abgerufen am 26.11.2024.