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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Leben! Bey Ihnen verliert der Todtengrä-
ber nichts bey lebendigem Leibe, wenn ich
aber bitten darf, begraben Sie Ihre Einbil-
dung auf diesem schönen Kirchhofe, wo es
Ihnen gefallen hat. Jeder Platz soll Ihnen
gehören, den herrnhutschen grünen Einschlus
nicht ausgeschlossen. Es ist keine Schwester,
der sie hier im Geist ein Grabmahl errichtet!
Ich weiß, was Schwester sagen will. Die
begräbt man ohne Einbildung, und, wenn
ichs selbst nicht wüßte, mein Weib weiß mehr,
als das. Da stirbt keins vom Königlichen
Hause, was ihr nicht voraus gemeldet wird.
Wunderbar verkehrt sie im Schlaf mit den
Geistern. Das Paar, das unter den zusam-
mengewachsenen Bäumen schläft, ist ihr mit
dem Herzen zusammengewachsen. Sie läßt
auf dies Paar nichts kommen. Sie, mein
Herr, haben eine Braut verlohren. Ja,
sagt' ich, meine Mine! -- Den Namen wußt'
ich nicht, erwiedert' er. Geister haben kei-
nen. Minens Geist, Freund, heißt Mine,
fiel ich ein. Einbildung, und diese Einbil-
dung, wenn ich bitten darf, begraben Sie sie.
Es ist Raum in der Herberge. Das Grab
haben Sie reichlich bezahlt! Ich will es ei-
genhändig machen. Sie sind jung, und

wißen

Leben! Bey Ihnen verliert der Todtengraͤ-
ber nichts bey lebendigem Leibe, wenn ich
aber bitten darf, begraben Sie Ihre Einbil-
dung auf dieſem ſchoͤnen Kirchhofe, wo es
Ihnen gefallen hat. Jeder Platz ſoll Ihnen
gehoͤren, den herrnhutſchen gruͤnen Einſchlus
nicht ausgeſchloſſen. Es iſt keine Schweſter,
der ſie hier im Geiſt ein Grabmahl errichtet!
Ich weiß, was Schweſter ſagen will. Die
begraͤbt man ohne Einbildung, und, wenn
ichs ſelbſt nicht wuͤßte, mein Weib weiß mehr,
als das. Da ſtirbt keins vom Koͤniglichen
Hauſe, was ihr nicht voraus gemeldet wird.
Wunderbar verkehrt ſie im Schlaf mit den
Geiſtern. Das Paar, das unter den zuſam-
mengewachſenen Baͤumen ſchlaͤft, iſt ihr mit
dem Herzen zuſammengewachſen. Sie laͤßt
auf dies Paar nichts kommen. Sie, mein
Herr, haben eine Braut verlohren. Ja,
ſagt’ ich, meine Mine! — Den Namen wußt’
ich nicht, erwiedert’ er. Geiſter haben kei-
nen. Minens Geiſt, Freund, heißt Mine,
fiel ich ein. Einbildung, und dieſe Einbil-
dung, wenn ich bitten darf, begraben Sie ſie.
Es iſt Raum in der Herberge. Das Grab
haben Sie reichlich bezahlt! Ich will es ei-
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[280/0286] Leben! Bey Ihnen verliert der Todtengraͤ- ber nichts bey lebendigem Leibe, wenn ich aber bitten darf, begraben Sie Ihre Einbil- dung auf dieſem ſchoͤnen Kirchhofe, wo es Ihnen gefallen hat. Jeder Platz ſoll Ihnen gehoͤren, den herrnhutſchen gruͤnen Einſchlus nicht ausgeſchloſſen. Es iſt keine Schweſter, der ſie hier im Geiſt ein Grabmahl errichtet! Ich weiß, was Schweſter ſagen will. Die begraͤbt man ohne Einbildung, und, wenn ichs ſelbſt nicht wuͤßte, mein Weib weiß mehr, als das. Da ſtirbt keins vom Koͤniglichen Hauſe, was ihr nicht voraus gemeldet wird. Wunderbar verkehrt ſie im Schlaf mit den Geiſtern. Das Paar, das unter den zuſam- mengewachſenen Baͤumen ſchlaͤft, iſt ihr mit dem Herzen zuſammengewachſen. Sie laͤßt auf dies Paar nichts kommen. Sie, mein Herr, haben eine Braut verlohren. Ja, ſagt’ ich, meine Mine! — Den Namen wußt’ ich nicht, erwiedert’ er. Geiſter haben kei- nen. Minens Geiſt, Freund, heißt Mine, fiel ich ein. Einbildung, und dieſe Einbil- dung, wenn ich bitten darf, begraben Sie ſie. Es iſt Raum in der Herberge. Das Grab haben Sie reichlich bezahlt! Ich will es ei- genhaͤndig machen. Sie ſind jung, und wißen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/286>, abgerufen am 26.11.2024.