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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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mir, so und nicht anders ist uns beyden ge-
holfen. -- Der König verwandelte die Todes-
strafe in eine einjährige Festungsstrafe, und
alle Welt sagte, daß dieses ein salomonisches
Urtheil wäre. Um solch ein Urtel zu sprechen,
wer wünscht sich nicht König zu seyn! Hans
wäre gar nicht in der Festung gewesen, wenn
nicht Grete seine Strafe mit ihm getheilt
hätte. Dies war das einzige, was ihm
schwer zu tragen war. Seine Ketten waren
ihm nicht lästig. Nach so viel Kummer und
Noth, gieng endlich die Sonne über dieses
treue Paar auf. An das Gütchen, in wel-
chem Hans so viele Veranstaltungen in Ge-
danken getroffen, war nun nicht mehr zu
denken. Sie wollten beyde weder Land noch
Leute dieser Gegend sehen, und entschlossen
sich, um sich recht zu verbergen, nach Königs-
berg zu ziehen. Sie waren eben zum dritten-
mal aufgeboten, da Hans in ein hitziges Fie-
ber fiel und starb. So entscheidet Gott, der
Herr, wenn gleich Könige anders entscheiden.
Seine Wege sind nicht unsere Wege, seine
Gedanken sind nicht unsere Gedanken. Grete
fiel an Hansens Begräbnistage in eine solche
Schwermuth, daß sie jetzt im Irhause, wie-
wohl in einem bessern, als den gewöhnlichen

Zim-

mir, ſo und nicht anders iſt uns beyden ge-
holfen. — Der Koͤnig verwandelte die Todes-
ſtrafe in eine einjaͤhrige Feſtungsſtrafe, und
alle Welt ſagte, daß dieſes ein ſalomoniſches
Urtheil waͤre. Um ſolch ein Urtel zu ſprechen,
wer wuͤnſcht ſich nicht Koͤnig zu ſeyn! Hans
waͤre gar nicht in der Feſtung geweſen, wenn
nicht Grete ſeine Strafe mit ihm getheilt
haͤtte. Dies war das einzige, was ihm
ſchwer zu tragen war. Seine Ketten waren
ihm nicht laͤſtig. Nach ſo viel Kummer und
Noth, gieng endlich die Sonne uͤber dieſes
treue Paar auf. An das Guͤtchen, in wel-
chem Hans ſo viele Veranſtaltungen in Ge-
danken getroffen, war nun nicht mehr zu
denken. Sie wollten beyde weder Land noch
Leute dieſer Gegend ſehen, und entſchloſſen
ſich, um ſich recht zu verbergen, nach Koͤnigs-
berg zu ziehen. Sie waren eben zum dritten-
mal aufgeboten, da Hans in ein hitziges Fie-
ber fiel und ſtarb. So entſcheidet Gott, der
Herr, wenn gleich Koͤnige anders entſcheiden.
Seine Wege ſind nicht unſere Wege, ſeine
Gedanken ſind nicht unſere Gedanken. Grete
fiel an Hanſens Begraͤbnistage in eine ſolche
Schwermuth, daß ſie jetzt im Irhauſe, wie-
wohl in einem beſſern, als den gewoͤhnlichen

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[296/0302] mir, ſo und nicht anders iſt uns beyden ge- holfen. — Der Koͤnig verwandelte die Todes- ſtrafe in eine einjaͤhrige Feſtungsſtrafe, und alle Welt ſagte, daß dieſes ein ſalomoniſches Urtheil waͤre. Um ſolch ein Urtel zu ſprechen, wer wuͤnſcht ſich nicht Koͤnig zu ſeyn! Hans waͤre gar nicht in der Feſtung geweſen, wenn nicht Grete ſeine Strafe mit ihm getheilt haͤtte. Dies war das einzige, was ihm ſchwer zu tragen war. Seine Ketten waren ihm nicht laͤſtig. Nach ſo viel Kummer und Noth, gieng endlich die Sonne uͤber dieſes treue Paar auf. An das Guͤtchen, in wel- chem Hans ſo viele Veranſtaltungen in Ge- danken getroffen, war nun nicht mehr zu denken. Sie wollten beyde weder Land noch Leute dieſer Gegend ſehen, und entſchloſſen ſich, um ſich recht zu verbergen, nach Koͤnigs- berg zu ziehen. Sie waren eben zum dritten- mal aufgeboten, da Hans in ein hitziges Fie- ber fiel und ſtarb. So entſcheidet Gott, der Herr, wenn gleich Koͤnige anders entſcheiden. Seine Wege ſind nicht unſere Wege, ſeine Gedanken ſind nicht unſere Gedanken. Grete fiel an Hanſens Begraͤbnistage in eine ſolche Schwermuth, daß ſie jetzt im Irhauſe, wie- wohl in einem beſſern, als den gewoͤhnlichen Zim-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/302>, abgerufen am 22.11.2024.