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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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heraus, wenn ich ausgeführet werde.
Reise, wenn es deine Gesundheit erlaubt,
dahin, wo ich dich erschlug und schreye ein
Vater unser für mich. --

Dieser Brief, anstatt daß er Kraut und
Pflaster zur Beruhigung für Greten seyn
sollte, nährte ihren Gram. Er brachte ihr
empfindlichere Wunden bey, als Hansens
Mordmesser. Niemand hatte Hansens Tod
erwartet. Hans nahm sein Urtel als Got-
tes Ausspruch an. Grete war ausser sich. Sie
wollte für ihn sterben. Die Geistlichen löse-
ten die Wundärzte ab, um ihr Ruhe zuzu-
sprechen; allein vergebens. Das Wollen,
schrie sie, nicht das Vollbringen. Wenn
Gott strafen sollte, was wir wollen, wer
könnte vor ihm bestehen? Sie sprach wie alle
Leute, die ausser sich sind, so weise, so ver-
nünftig, daß sich Jedes wunderte, wo sie
alles dieses her hatte, was würklich über ihr
war. Es war kläglich anzusehen, daß diese
beyden Menschen ohneinander nicht leben,
nicht sterben konnten. Grete trat, ohne daß
Hans es wuste, den König an. Sie sind ein
Mensch, schrieb sie, Monarch, und machen
sich eine Ehre draus, es zu seyn! Schenken
Sie Hausen das Leben, oder nehmen Sie es

mir,
T 4

heraus, wenn ich ausgefuͤhret werde.
Reiſe, wenn es deine Geſundheit erlaubt,
dahin, wo ich dich erſchlug und ſchreye ein
Vater unſer fuͤr mich. —

Dieſer Brief, anſtatt daß er Kraut und
Pflaſter zur Beruhigung fuͤr Greten ſeyn
ſollte, naͤhrte ihren Gram. Er brachte ihr
empfindlichere Wunden bey, als Hanſens
Mordmeſſer. Niemand hatte Hanſens Tod
erwartet. Hans nahm ſein Urtel als Got-
tes Ausſpruch an. Grete war auſſer ſich. Sie
wollte fuͤr ihn ſterben. Die Geiſtlichen loͤſe-
ten die Wundaͤrzte ab, um ihr Ruhe zuzu-
ſprechen; allein vergebens. Das Wollen,
ſchrie ſie, nicht das Vollbringen. Wenn
Gott ſtrafen ſollte, was wir wollen, wer
koͤnnte vor ihm beſtehen? Sie ſprach wie alle
Leute, die auſſer ſich ſind, ſo weiſe, ſo ver-
nuͤnftig, daß ſich Jedes wunderte, wo ſie
alles dieſes her hatte, was wuͤrklich uͤber ihr
war. Es war klaͤglich anzuſehen, daß dieſe
beyden Menſchen ohneinander nicht leben,
nicht ſterben konnten. Grete trat, ohne daß
Hans es wuſte, den Koͤnig an. Sie ſind ein
Menſch, ſchrieb ſie, Monarch, und machen
ſich eine Ehre draus, es zu ſeyn! Schenken
Sie Hauſen das Leben, oder nehmen Sie es

mir,
T 4
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[295/0301] heraus, wenn ich ausgefuͤhret werde. Reiſe, wenn es deine Geſundheit erlaubt, dahin, wo ich dich erſchlug und ſchreye ein Vater unſer fuͤr mich. — Dieſer Brief, anſtatt daß er Kraut und Pflaſter zur Beruhigung fuͤr Greten ſeyn ſollte, naͤhrte ihren Gram. Er brachte ihr empfindlichere Wunden bey, als Hanſens Mordmeſſer. Niemand hatte Hanſens Tod erwartet. Hans nahm ſein Urtel als Got- tes Ausſpruch an. Grete war auſſer ſich. Sie wollte fuͤr ihn ſterben. Die Geiſtlichen loͤſe- ten die Wundaͤrzte ab, um ihr Ruhe zuzu- ſprechen; allein vergebens. Das Wollen, ſchrie ſie, nicht das Vollbringen. Wenn Gott ſtrafen ſollte, was wir wollen, wer koͤnnte vor ihm beſtehen? Sie ſprach wie alle Leute, die auſſer ſich ſind, ſo weiſe, ſo ver- nuͤnftig, daß ſich Jedes wunderte, wo ſie alles dieſes her hatte, was wuͤrklich uͤber ihr war. Es war klaͤglich anzuſehen, daß dieſe beyden Menſchen ohneinander nicht leben, nicht ſterben konnten. Grete trat, ohne daß Hans es wuſte, den Koͤnig an. Sie ſind ein Menſch, ſchrieb ſie, Monarch, und machen ſich eine Ehre draus, es zu ſeyn! Schenken Sie Hauſen das Leben, oder nehmen Sie es mir, T 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/301>, abgerufen am 21.11.2024.