nung, daß die erste Erziehung negativ sey? oder muß jeder Unterricht cum reseruatione reseruandorum negativ seyn? Ich denke ad Zwey, Ja. Willst du ein collegium chari- tatiuum anordnen, willst du caussa cognita rechtliches Erkenntnis eröfnen? In allen Stücken will ich hören! -- denn dazu bin ich, und du zum Lesen (Gott helf dir!) berufen. Würde mein vorgeschlagener Weg gewandelt, wahrlich wir wären selbst im speculativen Fache ein wenig weiter, nicht eben in Rück- sicht von Sonne, Mond und Sternen, son- dern unserer selbst, der Welt in nuce, in compendio. -- Wahrlich, das sind wir. Der Mensch hat einen innerlichen Sporn zur Thätigkeit. Er will durchaus, daß die Leute selbst mehr von ihm sagen sollen, als an ihm ist. (Obgleich der Philosoph durch sich selbst, und nicht durch sein äußeres, sich vom Haufen unterscheidet, obgleich alle Affektation ein Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man- gel menschlicher Vollständigkeit ist,) Woher dies? Der Mensch dringt durchaus zum Positiven. Glaube mir, hohe Schule! Wenn jeder positive Jüngling, nach rühm- lichst zurückgelegter academischen negativen Bahn, weiter gienge: was würde da nicht
zum
nung, daß die erſte Erziehung negativ ſey? oder muß jeder Unterricht cum reſeruatione reſeruandorum negativ ſeyn? Ich denke ad Zwey, Ja. Willſt du ein collegium chari- tatiuum anordnen, willſt du cauſſa cognita rechtliches Erkenntnis eroͤfnen? In allen Stuͤcken will ich hoͤren! — denn dazu bin ich, und du zum Leſen (Gott helf dir!) berufen. Wuͤrde mein vorgeſchlagener Weg gewandelt, wahrlich wir waͤren ſelbſt im ſpeculativen Fache ein wenig weiter, nicht eben in Ruͤck- ſicht von Sonne, Mond und Sternen, ſon- dern unſerer ſelbſt, der Welt in nuce, in compendio. — Wahrlich, das ſind wir. Der Menſch hat einen innerlichen Sporn zur Thaͤtigkeit. Er will durchaus, daß die Leute ſelbſt mehr von ihm ſagen ſollen, als an ihm iſt. (Obgleich der Philoſoph durch ſich ſelbſt, und nicht durch ſein aͤußeres, ſich vom Haufen unterſcheidet, obgleich alle Affektation ein Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man- gel menſchlicher Vollſtaͤndigkeit iſt,) Woher dies? Der Menſch dringt durchaus zum Poſitiven. Glaube mir, hohe Schule! Wenn jeder poſitive Juͤngling, nach ruͤhm- lichſt zuruͤckgelegter academiſchen negativen Bahn, weiter gienge: was wuͤrde da nicht
zum
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0307"n="301"/>
nung, daß die erſte Erziehung negativ ſey?<lb/>
oder muß jeder Unterricht <hirendition="#aq">cum reſeruatione<lb/>
reſeruandorum</hi> negativ ſeyn? Ich denke <hirendition="#aq">ad</hi><lb/>
Zwey, Ja. Willſt du ein <hirendition="#aq">collegium chari-<lb/>
tatiuum</hi> anordnen, willſt du <hirendition="#aq">cauſſa cognita</hi><lb/>
rechtliches Erkenntnis eroͤfnen? In allen<lb/>
Stuͤcken will ich hoͤren! — denn dazu bin ich,<lb/>
und du zum Leſen (Gott helf dir!) berufen.<lb/>
Wuͤrde mein vorgeſchlagener Weg gewandelt,<lb/>
wahrlich wir waͤren ſelbſt im ſpeculativen<lb/>
Fache ein wenig weiter, nicht eben in Ruͤck-<lb/>ſicht von Sonne, Mond und Sternen, ſon-<lb/>
dern unſerer ſelbſt, der Welt <hirendition="#aq">in nuce, in<lb/>
compendio.</hi>— Wahrlich, das ſind wir.<lb/>
Der Menſch hat einen innerlichen Sporn zur<lb/>
Thaͤtigkeit. Er will durchaus, daß die Leute<lb/>ſelbſt mehr von ihm ſagen ſollen, als an ihm<lb/>
iſt. (Obgleich der Philoſoph durch ſich ſelbſt,<lb/>
und nicht durch ſein aͤußeres, ſich vom Haufen<lb/>
unterſcheidet, obgleich alle Affektation ein<lb/>
Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man-<lb/>
gel menſchlicher Vollſtaͤndigkeit iſt,) Woher<lb/>
dies? Der Menſch dringt durchaus zum<lb/>
Poſitiven. Glaube mir, hohe Schule!<lb/>
Wenn jeder poſitive Juͤngling, nach ruͤhm-<lb/>
lichſt zuruͤckgelegter academiſchen negativen<lb/>
Bahn, weiter gienge: was wuͤrde da nicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zum</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0307]
nung, daß die erſte Erziehung negativ ſey?
oder muß jeder Unterricht cum reſeruatione
reſeruandorum negativ ſeyn? Ich denke ad
Zwey, Ja. Willſt du ein collegium chari-
tatiuum anordnen, willſt du cauſſa cognita
rechtliches Erkenntnis eroͤfnen? In allen
Stuͤcken will ich hoͤren! — denn dazu bin ich,
und du zum Leſen (Gott helf dir!) berufen.
Wuͤrde mein vorgeſchlagener Weg gewandelt,
wahrlich wir waͤren ſelbſt im ſpeculativen
Fache ein wenig weiter, nicht eben in Ruͤck-
ſicht von Sonne, Mond und Sternen, ſon-
dern unſerer ſelbſt, der Welt in nuce, in
compendio. — Wahrlich, das ſind wir.
Der Menſch hat einen innerlichen Sporn zur
Thaͤtigkeit. Er will durchaus, daß die Leute
ſelbſt mehr von ihm ſagen ſollen, als an ihm
iſt. (Obgleich der Philoſoph durch ſich ſelbſt,
und nicht durch ſein aͤußeres, ſich vom Haufen
unterſcheidet, obgleich alle Affektation ein
Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man-
gel menſchlicher Vollſtaͤndigkeit iſt,) Woher
dies? Der Menſch dringt durchaus zum
Poſitiven. Glaube mir, hohe Schule!
Wenn jeder poſitive Juͤngling, nach ruͤhm-
lichſt zuruͤckgelegter academiſchen negativen
Bahn, weiter gienge: was wuͤrde da nicht
zum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/307>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.