Nathanael: ob sie ihren Brautschmuck anle- gen sollte? -- Den können Sie nie ablegen, erwiderte der galante Bräutigam. Wir ba- ten alle, Gretchen möchte bleiben, wie sie wäre, und diese Bitte machte uns wenig Mühe, weil sie selbst dazu geneigt war. Sie blieb, und die Natur selbst hätte sie nicht bes- ser putzen können, als sies war. Sehet die Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht gekleidet, wie derselben eine! -- Wahrlich Gretchen war eine schöne Feldblume! -- Wie schön sie da stand! Nathanael konnt' es ohne Puder nicht laßen, sonst konnt' er seiner Ga- lanterie keine Elle mehr zusetzen; er war wie aus einem Putzkästchen gezogen. -- Der Amtmann war nicht im Stande, sich ans seinem Erstaunen heraus zu finden. Er hatte sein Kleid mit den Goldbesponnenen Knöpfen noch nicht herausgepackt, und nun war es zu spät. Der Organist bat um Verzeihung, daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und während aller dieser Dinge kamen die Beglei- ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu- men, die ich ihr zitternd brachte; ich hätt' ihr gewiß keine gepflückt, wenn sies nicht selbst verlangt hätte. Sie nahm diese Blumen mit einem Blick entgegen, der mir durchs Herz
gieng,
Nathanael: ob ſie ihren Brautſchmuck anle- gen ſollte? — Den koͤnnen Sie nie ablegen, erwiderte der galante Braͤutigam. Wir ba- ten alle, Gretchen moͤchte bleiben, wie ſie waͤre, und dieſe Bitte machte uns wenig Muͤhe, weil ſie ſelbſt dazu geneigt war. Sie blieb, und die Natur ſelbſt haͤtte ſie nicht beſ- ſer putzen koͤnnen, als ſies war. Sehet die Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht gekleidet, wie derſelben eine! — Wahrlich Gretchen war eine ſchoͤne Feldblume! — Wie ſchoͤn ſie da ſtand! Nathanael konnt’ es ohne Puder nicht laßen, ſonſt konnt’ er ſeiner Ga- lanterie keine Elle mehr zuſetzen; er war wie aus einem Putzkaͤſtchen gezogen. — Der Amtmann war nicht im Stande, ſich ans ſeinem Erſtaunen heraus zu finden. Er hatte ſein Kleid mit den Goldbeſponnenen Knoͤpfen noch nicht herausgepackt, und nun war es zu ſpaͤt. Der Organiſt bat um Verzeihung, daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und waͤhrend aller dieſer Dinge kamen die Beglei- ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu- men, die ich ihr zitternd brachte; ich haͤtt’ ihr gewiß keine gepfluͤckt, wenn ſies nicht ſelbſt verlangt haͤtte. Sie nahm dieſe Blumen mit einem Blick entgegen, der mir durchs Herz
gieng,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0338"n="332"/>
Nathanael: ob ſie ihren Brautſchmuck anle-<lb/>
gen ſollte? — Den koͤnnen Sie nie ablegen,<lb/>
erwiderte der galante Braͤutigam. Wir ba-<lb/>
ten alle, Gretchen moͤchte bleiben, wie ſie<lb/>
waͤre, und dieſe Bitte machte uns wenig<lb/>
Muͤhe, weil ſie ſelbſt dazu geneigt war. Sie<lb/>
blieb, und die Natur ſelbſt haͤtte ſie nicht beſ-<lb/>ſer putzen koͤnnen, als ſies war. Sehet die<lb/>
Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht<lb/>
gekleidet, wie derſelben eine! — Wahrlich<lb/>
Gretchen war eine ſchoͤne Feldblume! — Wie<lb/>ſchoͤn ſie da ſtand! Nathanael konnt’ es ohne<lb/>
Puder nicht laßen, ſonſt konnt’ er ſeiner Ga-<lb/>
lanterie keine Elle mehr zuſetzen; er war wie<lb/>
aus einem Putzkaͤſtchen gezogen. — Der<lb/>
Amtmann war nicht im Stande, ſich ans<lb/>ſeinem Erſtaunen heraus zu finden. Er hatte<lb/>ſein Kleid mit den Goldbeſponnenen Knoͤpfen<lb/>
noch nicht herausgepackt, und nun war es<lb/>
zu ſpaͤt. Der Organiſt bat um Verzeihung,<lb/>
daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und<lb/>
waͤhrend aller dieſer Dinge kamen die Beglei-<lb/>
ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu-<lb/>
men, die ich ihr zitternd brachte; ich haͤtt’ ihr<lb/>
gewiß keine gepfluͤckt, wenn ſies nicht ſelbſt<lb/>
verlangt haͤtte. Sie nahm dieſe Blumen mit<lb/>
einem Blick entgegen, der mir durchs Herz<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gieng,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[332/0338]
Nathanael: ob ſie ihren Brautſchmuck anle-
gen ſollte? — Den koͤnnen Sie nie ablegen,
erwiderte der galante Braͤutigam. Wir ba-
ten alle, Gretchen moͤchte bleiben, wie ſie
waͤre, und dieſe Bitte machte uns wenig
Muͤhe, weil ſie ſelbſt dazu geneigt war. Sie
blieb, und die Natur ſelbſt haͤtte ſie nicht beſ-
ſer putzen koͤnnen, als ſies war. Sehet die
Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht
gekleidet, wie derſelben eine! — Wahrlich
Gretchen war eine ſchoͤne Feldblume! — Wie
ſchoͤn ſie da ſtand! Nathanael konnt’ es ohne
Puder nicht laßen, ſonſt konnt’ er ſeiner Ga-
lanterie keine Elle mehr zuſetzen; er war wie
aus einem Putzkaͤſtchen gezogen. — Der
Amtmann war nicht im Stande, ſich ans
ſeinem Erſtaunen heraus zu finden. Er hatte
ſein Kleid mit den Goldbeſponnenen Knoͤpfen
noch nicht herausgepackt, und nun war es
zu ſpaͤt. Der Organiſt bat um Verzeihung,
daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und
waͤhrend aller dieſer Dinge kamen die Beglei-
ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu-
men, die ich ihr zitternd brachte; ich haͤtt’ ihr
gewiß keine gepfluͤckt, wenn ſies nicht ſelbſt
verlangt haͤtte. Sie nahm dieſe Blumen mit
einem Blick entgegen, der mir durchs Herz
gieng,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/338>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.