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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Mitfreude, wobey sich alle zwölf die Hände
geben und eine Freudenkette machen woll-
ten. -- Hätten die Mitfreudigen und selbst
der Censor von den neun Musen gewust, es
wären nicht nach Zahl der Monate zwölf ge-
wesen! Ohnfehlbar aus denen mehr als zwan-
zig jungen Mädchen, die in die Stelle der Lei-
chenbegleiter traten, nachdem Minens Sarg
vor dem Altar gesetzt war.

So ward es beschloßen; jetzt aber kam
alles in Unordnung. Die beyden Kranzträ-
gerinnen, welche die grossen Rollen hatten,
waren aus Text und Melodie gekommen.
Niemand wuste, ob das Ständchen heut oder
morgen gebracht werden sollte, und doch woll-
te jedermann es so gut als möglich machen.
Kurz, das Dorf war in Unordnung. Diese
Unordnung selbst indeßen bot Hand zur Freu-
de. Die Freude ist die unordentlichste von
allen Leidenschaften. Unser Pfarrhaus war
während der Zeit das glücklichste Haus in der
Welt. Gretchen so ganz und gar des Natha-
naels, daß sie auch nicht einst einen Blick für
mich übrig hatte. Neigung ist so pünktlich
nicht. Pflicht aber ist das pünklichste, was
ich weiß. Der gute Pastor lies sich an die-
sem Tage die Verlagsgeschichte seiner Sünde

wider

Mitfreude, wobey ſich alle zwoͤlf die Haͤnde
geben und eine Freudenkette machen woll-
ten. — Haͤtten die Mitfreudigen und ſelbſt
der Cenſor von den neun Muſen gewuſt, es
waͤren nicht nach Zahl der Monate zwoͤlf ge-
weſen! Ohnfehlbar aus denen mehr als zwan-
zig jungen Maͤdchen, die in die Stelle der Lei-
chenbegleiter traten, nachdem Minens Sarg
vor dem Altar geſetzt war.

So ward es beſchloßen; jetzt aber kam
alles in Unordnung. Die beyden Kranztraͤ-
gerinnen, welche die groſſen Rollen hatten,
waren aus Text und Melodie gekommen.
Niemand wuſte, ob das Staͤndchen heut oder
morgen gebracht werden ſollte, und doch woll-
te jedermann es ſo gut als moͤglich machen.
Kurz, das Dorf war in Unordnung. Dieſe
Unordnung ſelbſt indeßen bot Hand zur Freu-
de. Die Freude iſt die unordentlichſte von
allen Leidenſchaften. Unſer Pfarrhaus war
waͤhrend der Zeit das gluͤcklichſte Haus in der
Welt. Gretchen ſo ganz und gar des Natha-
naels, daß ſie auch nicht einſt einen Blick fuͤr
mich uͤbrig hatte. Neigung iſt ſo puͤnktlich
nicht. Pflicht aber iſt das puͤnklichſte, was
ich weiß. Der gute Paſtor lies ſich an die-
ſem Tage die Verlagsgeſchichte ſeiner Suͤnde

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[344/0350] Mitfreude, wobey ſich alle zwoͤlf die Haͤnde geben und eine Freudenkette machen woll- ten. — Haͤtten die Mitfreudigen und ſelbſt der Cenſor von den neun Muſen gewuſt, es waͤren nicht nach Zahl der Monate zwoͤlf ge- weſen! Ohnfehlbar aus denen mehr als zwan- zig jungen Maͤdchen, die in die Stelle der Lei- chenbegleiter traten, nachdem Minens Sarg vor dem Altar geſetzt war. So ward es beſchloßen; jetzt aber kam alles in Unordnung. Die beyden Kranztraͤ- gerinnen, welche die groſſen Rollen hatten, waren aus Text und Melodie gekommen. Niemand wuſte, ob das Staͤndchen heut oder morgen gebracht werden ſollte, und doch woll- te jedermann es ſo gut als moͤglich machen. Kurz, das Dorf war in Unordnung. Dieſe Unordnung ſelbſt indeßen bot Hand zur Freu- de. Die Freude iſt die unordentlichſte von allen Leidenſchaften. Unſer Pfarrhaus war waͤhrend der Zeit das gluͤcklichſte Haus in der Welt. Gretchen ſo ganz und gar des Natha- naels, daß ſie auch nicht einſt einen Blick fuͤr mich uͤbrig hatte. Neigung iſt ſo puͤnktlich nicht. Pflicht aber iſt das puͤnklichſte, was ich weiß. Der gute Paſtor lies ſich an die- ſem Tage die Verlagsgeſchichte ſeiner Suͤnde wider

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/350>, abgerufen am 22.11.2024.