untreu werden, uns zu Diensten stehen, so wenig geachtet worden und noch werden. Die natürlichste Ursache, erwiedert' ich, da der Graf würklich inne hielt, weil der Mensch ohne Seele nicht viel ist. Es hinkt und stinkt mit ihm, pflegte meine Mutter zu sagen. Da es nun endlich mit uns allzusammen auch ein- mahl hinken und stinken wird; so scheint das Leichenbegängnis, woran alles ohne Anstoß, ohne Capitis Diminution, Theil nimt, einge- führt zu seyn, welches bey allen gesitteten Personen von je her üblich gewesen. -- Hie- durch wollen wir unsere Entfernung von der Leiche, unsere Verachtung selbst gegen die, so ihr nahe blieben, rechtfertigen. Wir tre- ten der Leiche näher. Man nennet dies die lezte Ehre, den lezten Liebesdienst, weil die Seele nicht mehr gegenwärtig ist, da der Er- denklos zum leztenmahl nach seinem in der Welt behaupteten Menschenwerth und Rang behandelt wird. Ich will mich hier nicht an- führen; denn wär es möglich gewesen, mit Minen auch ohne lebendigen Othem zu leben und zu seyn -- gern! -- Der Graf, dem die- ser Seufzer unangenehm schien, half mir wie- der in die Rede, wie folget.
Ich
C
untreu werden, uns zu Dienſten ſtehen, ſo wenig geachtet worden und noch werden. Die natuͤrlichſte Urſache, erwiedert’ ich, da der Graf wuͤrklich inne hielt, weil der Menſch ohne Seele nicht viel iſt. Es hinkt und ſtinkt mit ihm, pflegte meine Mutter zu ſagen. Da es nun endlich mit uns allzuſammen auch ein- mahl hinken und ſtinken wird; ſo ſcheint das Leichenbegaͤngnis, woran alles ohne Anſtoß, ohne Capitis Diminution, Theil nimt, einge- fuͤhrt zu ſeyn, welches bey allen geſitteten Perſonen von je her uͤblich geweſen. — Hie- durch wollen wir unſere Entfernung von der Leiche, unſere Verachtung ſelbſt gegen die, ſo ihr nahe blieben, rechtfertigen. Wir tre- ten der Leiche naͤher. Man nennet dies die lezte Ehre, den lezten Liebesdienſt, weil die Seele nicht mehr gegenwaͤrtig iſt, da der Er- denklos zum leztenmahl nach ſeinem in der Welt behaupteten Menſchenwerth und Rang behandelt wird. Ich will mich hier nicht an- fuͤhren; denn waͤr es moͤglich geweſen, mit Minen auch ohne lebendigen Othem zu leben und zu ſeyn — gern! — Der Graf, dem die- ſer Seufzer unangenehm ſchien, half mir wie- der in die Rede, wie folget.
Ich
C
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0039"n="33"/>
untreu werden, uns zu Dienſten ſtehen, ſo<lb/>
wenig geachtet worden und noch werden.<lb/>
Die natuͤrlichſte Urſache, erwiedert’ ich, da<lb/>
der Graf wuͤrklich inne hielt, weil der Menſch<lb/>
ohne Seele nicht viel iſt. Es hinkt und ſtinkt<lb/>
mit ihm, pflegte meine Mutter zu ſagen. Da<lb/>
es nun endlich mit uns allzuſammen auch ein-<lb/>
mahl hinken und ſtinken wird; ſo ſcheint das<lb/>
Leichenbegaͤngnis, woran alles ohne Anſtoß,<lb/>
ohne Capitis Diminution, Theil nimt, einge-<lb/>
fuͤhrt zu ſeyn, welches bey allen geſitteten<lb/>
Perſonen von je her uͤblich geweſen. — Hie-<lb/>
durch wollen wir unſere Entfernung von der<lb/>
Leiche, unſere Verachtung ſelbſt gegen die,<lb/>ſo ihr nahe blieben, rechtfertigen. Wir tre-<lb/>
ten der Leiche naͤher. Man nennet dies die<lb/>
lezte Ehre, den lezten Liebesdienſt, weil die<lb/>
Seele nicht mehr gegenwaͤrtig iſt, da der Er-<lb/>
denklos zum leztenmahl nach ſeinem in der<lb/>
Welt behaupteten Menſchenwerth und Rang<lb/>
behandelt wird. Ich will mich hier nicht an-<lb/>
fuͤhren; denn waͤr es moͤglich geweſen, mit<lb/>
Minen auch ohne lebendigen Othem zu leben<lb/>
und zu ſeyn — gern! — Der Graf, dem die-<lb/>ſer Seufzer unangenehm ſchien, half mir wie-<lb/>
der in die Rede, wie folget.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">C</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ich</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[33/0039]
untreu werden, uns zu Dienſten ſtehen, ſo
wenig geachtet worden und noch werden.
Die natuͤrlichſte Urſache, erwiedert’ ich, da
der Graf wuͤrklich inne hielt, weil der Menſch
ohne Seele nicht viel iſt. Es hinkt und ſtinkt
mit ihm, pflegte meine Mutter zu ſagen. Da
es nun endlich mit uns allzuſammen auch ein-
mahl hinken und ſtinken wird; ſo ſcheint das
Leichenbegaͤngnis, woran alles ohne Anſtoß,
ohne Capitis Diminution, Theil nimt, einge-
fuͤhrt zu ſeyn, welches bey allen geſitteten
Perſonen von je her uͤblich geweſen. — Hie-
durch wollen wir unſere Entfernung von der
Leiche, unſere Verachtung ſelbſt gegen die,
ſo ihr nahe blieben, rechtfertigen. Wir tre-
ten der Leiche naͤher. Man nennet dies die
lezte Ehre, den lezten Liebesdienſt, weil die
Seele nicht mehr gegenwaͤrtig iſt, da der Er-
denklos zum leztenmahl nach ſeinem in der
Welt behaupteten Menſchenwerth und Rang
behandelt wird. Ich will mich hier nicht an-
fuͤhren; denn waͤr es moͤglich geweſen, mit
Minen auch ohne lebendigen Othem zu leben
und zu ſeyn — gern! — Der Graf, dem die-
ſer Seufzer unangenehm ſchien, half mir wie-
der in die Rede, wie folget.
Ich
C
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/39>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.