zwey Brünnlein deiner Augen giebt, in denen Wasser des Lebens, des Trostes rinnen, und so lange der Mensch manche schwere Stunde verweinen kann, was will er denn? Zwar
Die Fromme stirbt, die recht und richtig handelt, Die Böse lebt, die wider Gott mis- handelt;
allein ists nicht besser, daß eine Wohlvorbe- reitete unter die Engel kommt, als Eine, die es nicht ist. Würden die Engel sonst nicht alle Liebe zu den Menschenkindern verlieren, würden sie sich nicht des Menschen schämen, obgleich er, wie sie, Gottes Geschöpf ist? Wenn der v. E -- mit seinen habsüchtigen Augen dahin geraft wäre, wahrlich ganz Cur- land hätt' im Himmel drob verlohren. Es wäre Curland gegangen, wie es den Deut- schen dadurch geht, daß sie lauter Grützköpfe nach Paris geschickt, das Land zu besehen, worüber dein Vater nicht gnug seinen deut- schen Kopf schütteln kann. Lies dir da Trost- gründ' aus, wie wir Zuckererbsen zur Saat auszulesen pflegen. Was wurmstichig ist, wirf davon. Nicht alle meine Trostgründe sind Saat-Zuckererbsen. Du weißt doch, man muß sie erst aufweichen, wenn sie aufgehen
sollen.
zwey Bruͤnnlein deiner Augen giebt, in denen Waſſer des Lebens, des Troſtes rinnen, und ſo lange der Menſch manche ſchwere Stunde verweinen kann, was will er denn? Zwar
Die Fromme ſtirbt, die recht und richtig handelt, Die Boͤſe lebt, die wider Gott mis- handelt;
allein iſts nicht beſſer, daß eine Wohlvorbe- reitete unter die Engel kommt, als Eine, die es nicht iſt. Wuͤrden die Engel ſonſt nicht alle Liebe zu den Menſchenkindern verlieren, wuͤrden ſie ſich nicht des Menſchen ſchaͤmen, obgleich er, wie ſie, Gottes Geſchoͤpf iſt? Wenn der v. E — mit ſeinen habſuͤchtigen Augen dahin geraft waͤre, wahrlich ganz Cur- land haͤtt’ im Himmel drob verlohren. Es waͤre Curland gegangen, wie es den Deut- ſchen dadurch geht, daß ſie lauter Gruͤtzkoͤpfe nach Paris geſchickt, das Land zu beſehen, woruͤber dein Vater nicht gnug ſeinen deut- ſchen Kopf ſchuͤtteln kann. Lies dir da Troſt- gruͤnd’ aus, wie wir Zuckererbſen zur Saat auszuleſen pflegen. Was wurmſtichig iſt, wirf davon. Nicht alle meine Troſtgruͤnde ſind Saat-Zuckererbſen. Du weißt doch, man muß ſie erſt aufweichen, wenn ſie aufgehen
ſollen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0394"n="386"/>
zwey Bruͤnnlein deiner Augen giebt, in denen<lb/>
Waſſer des Lebens, des Troſtes rinnen, und<lb/>ſo lange der Menſch manche ſchwere Stunde<lb/>
verweinen kann, was will er denn? Zwar</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#fr">Die Fromme ſtirbt, die recht und</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">richtig handelt,</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">Die Boͤſe lebt, die wider Gott mis-</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr">handelt</hi>;</l></lg><lb/><p>allein iſts nicht beſſer, daß eine Wohlvorbe-<lb/>
reitete unter die Engel kommt, als Eine, die<lb/>
es nicht iſt. Wuͤrden die Engel ſonſt nicht<lb/>
alle Liebe zu den Menſchenkindern verlieren,<lb/>
wuͤrden ſie ſich nicht des Menſchen ſchaͤmen,<lb/>
obgleich er, wie ſie, Gottes Geſchoͤpf iſt?<lb/>
Wenn der v. E — mit ſeinen habſuͤchtigen<lb/>
Augen dahin geraft waͤre, wahrlich ganz Cur-<lb/>
land haͤtt’ im Himmel drob verlohren. Es<lb/>
waͤre Curland gegangen, wie es den Deut-<lb/>ſchen dadurch geht, daß ſie lauter Gruͤtzkoͤpfe<lb/>
nach Paris geſchickt, das Land zu beſehen,<lb/>
woruͤber dein Vater nicht gnug ſeinen deut-<lb/>ſchen Kopf ſchuͤtteln kann. Lies dir da Troſt-<lb/>
gruͤnd’ aus, wie wir Zuckererbſen zur Saat<lb/>
auszuleſen pflegen. Was wurmſtichig iſt,<lb/>
wirf davon. Nicht alle meine Troſtgruͤnde<lb/>ſind Saat-Zuckererbſen. Du weißt doch, man<lb/>
muß ſie erſt aufweichen, wenn ſie aufgehen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſollen.</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[386/0394]
zwey Bruͤnnlein deiner Augen giebt, in denen
Waſſer des Lebens, des Troſtes rinnen, und
ſo lange der Menſch manche ſchwere Stunde
verweinen kann, was will er denn? Zwar
Die Fromme ſtirbt, die recht und
richtig handelt,
Die Boͤſe lebt, die wider Gott mis-
handelt;
allein iſts nicht beſſer, daß eine Wohlvorbe-
reitete unter die Engel kommt, als Eine, die
es nicht iſt. Wuͤrden die Engel ſonſt nicht
alle Liebe zu den Menſchenkindern verlieren,
wuͤrden ſie ſich nicht des Menſchen ſchaͤmen,
obgleich er, wie ſie, Gottes Geſchoͤpf iſt?
Wenn der v. E — mit ſeinen habſuͤchtigen
Augen dahin geraft waͤre, wahrlich ganz Cur-
land haͤtt’ im Himmel drob verlohren. Es
waͤre Curland gegangen, wie es den Deut-
ſchen dadurch geht, daß ſie lauter Gruͤtzkoͤpfe
nach Paris geſchickt, das Land zu beſehen,
woruͤber dein Vater nicht gnug ſeinen deut-
ſchen Kopf ſchuͤtteln kann. Lies dir da Troſt-
gruͤnd’ aus, wie wir Zuckererbſen zur Saat
auszuleſen pflegen. Was wurmſtichig iſt,
wirf davon. Nicht alle meine Troſtgruͤnde
ſind Saat-Zuckererbſen. Du weißt doch, man
muß ſie erſt aufweichen, wenn ſie aufgehen
ſollen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/394>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.