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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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sollen. Weine, herzlich geliebter und nach
dem Willen Gottes schmerzlich betrübter und
leidtragender Sohn! und erweiche die Saat-
erbsen von Trostgründen, durch deine Thrä-
nen; dann wirst du alles ganz anders finden.
Weine für Freuden, daß wir weinen können,
und erhohle dich, wie die angebrannte Pflanze
nach dem Abendtau. Verstopfe die Quelle,
aus der Leben abfließt, nicht durch bittere
Härte. Murre nicht wider Gott! Nicht alle
können alles. Nicht jeder kann einen Wald
voll Waldgreiser, alt und wohlbetagter Ei-
chen, nicht jeder kann einsame Gegenden aus-
halten, wo Schauer aus allen Winkeln zu-
sammen kommen, und den Ankömmling äng-
stigen, als käm' er in ein verfluchtes Schloß.
Da wird er denn in die Enge getrieben, und
kommt so im Kleinen zu stehen, daß er wie in
sich selbst verkrochen ist. Ich konnte den dick-
sten Wald aushalten, als säh' ich Johannis-
beerenstrauch, und selbst in der alten Rum-
meley eines vernachläßigten Waldes, in einer
zerstörten Stäte, wo ein Käuzlein keinen Laut
wagt, konnt' ich froh seyn. Da fieng ich
dann ein Morgen- oder Abendlied an, und
freute mich, daß der Wiederhall so gut Me-
lodie hielt. Da sah' ich dann manchen Baum,

dem
B b 2

ſollen. Weine, herzlich geliebter und nach
dem Willen Gottes ſchmerzlich betruͤbter und
leidtragender Sohn! und erweiche die Saat-
erbſen von Troſtgruͤnden, durch deine Thraͤ-
nen; dann wirſt du alles ganz anders finden.
Weine fuͤr Freuden, daß wir weinen koͤnnen,
und erhohle dich, wie die angebrannte Pflanze
nach dem Abendtau. Verſtopfe die Quelle,
aus der Leben abfließt, nicht durch bittere
Haͤrte. Murre nicht wider Gott! Nicht alle
koͤnnen alles. Nicht jeder kann einen Wald
voll Waldgreiſer, alt und wohlbetagter Ei-
chen, nicht jeder kann einſame Gegenden aus-
halten, wo Schauer aus allen Winkeln zu-
ſammen kommen, und den Ankoͤmmling aͤng-
ſtigen, als kaͤm’ er in ein verfluchtes Schloß.
Da wird er denn in die Enge getrieben, und
kommt ſo im Kleinen zu ſtehen, daß er wie in
ſich ſelbſt verkrochen iſt. Ich konnte den dick-
ſten Wald aushalten, als ſaͤh’ ich Johannis-
beerenſtrauch, und ſelbſt in der alten Rum-
meley eines vernachlaͤßigten Waldes, in einer
zerſtoͤrten Staͤte, wo ein Kaͤuzlein keinen Laut
wagt, konnt’ ich froh ſeyn. Da fieng ich
dann ein Morgen- oder Abendlied an, und
freute mich, daß der Wiederhall ſo gut Me-
lodie hielt. Da ſah’ ich dann manchen Baum,

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[387/0395] ſollen. Weine, herzlich geliebter und nach dem Willen Gottes ſchmerzlich betruͤbter und leidtragender Sohn! und erweiche die Saat- erbſen von Troſtgruͤnden, durch deine Thraͤ- nen; dann wirſt du alles ganz anders finden. Weine fuͤr Freuden, daß wir weinen koͤnnen, und erhohle dich, wie die angebrannte Pflanze nach dem Abendtau. Verſtopfe die Quelle, aus der Leben abfließt, nicht durch bittere Haͤrte. Murre nicht wider Gott! Nicht alle koͤnnen alles. Nicht jeder kann einen Wald voll Waldgreiſer, alt und wohlbetagter Ei- chen, nicht jeder kann einſame Gegenden aus- halten, wo Schauer aus allen Winkeln zu- ſammen kommen, und den Ankoͤmmling aͤng- ſtigen, als kaͤm’ er in ein verfluchtes Schloß. Da wird er denn in die Enge getrieben, und kommt ſo im Kleinen zu ſtehen, daß er wie in ſich ſelbſt verkrochen iſt. Ich konnte den dick- ſten Wald aushalten, als ſaͤh’ ich Johannis- beerenſtrauch, und ſelbſt in der alten Rum- meley eines vernachlaͤßigten Waldes, in einer zerſtoͤrten Staͤte, wo ein Kaͤuzlein keinen Laut wagt, konnt’ ich froh ſeyn. Da fieng ich dann ein Morgen- oder Abendlied an, und freute mich, daß der Wiederhall ſo gut Me- lodie hielt. Da ſah’ ich dann manchen Baum, dem B b 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/395>, abgerufen am 21.11.2024.