ausser daß er zuweilen ein Gläschen übern Durst trank. Eins nur. Jetzt ist alles mit mir gar anders! -- Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt, von den Fußsohlen an, bis zur Scheitel, ist nichts gesundes, nichts festes, an mir.
Charlottens Laube selbst, wie schrecklich sie mir da ist! Hier, wo so viel Thränen ver- gossen sind, hab' ich Mühe die meinigen in Gang zu bringen. Sieh' mein Sohn! Du bist zu Superintendenten Leiden und zu Su- perintendenten Freuden gebohren und erkoh- ren, zur hohen Würde, zur schweren Bürde. Zum höhern Halleluja, zum tieferen Kyrie Eleison. Du bist, das weiß ich, nicht un- behülflich in diesem Kummer. -- Der Gram ist durstig, wenn er aus verunglückter Liebe, aus Todesliebe, kommt, hungrig, wenn er Verachtung, Verspottung zur Triebfeder hat. Trink ein wenig Weins, deines schwachen Magens halber, und wisse, daß deine Mine wohl versorgt sey: aber warum schein' ich es selbst nicht zu wissen?
Ach! wer doch einmal droben wär! Wenn du gelegentlich, mein Kind, ein Buch: Die große Diana der Epheser, oder ein Traktätchen von den Accidentien der
Predi-
auſſer daß er zuweilen ein Glaͤschen uͤbern Durſt trank. Eins nur. Jetzt iſt alles mit mir gar anders! — Das ganze Haupt iſt krank, das ganze Herz iſt matt, von den Fußſohlen an, bis zur Scheitel, iſt nichts geſundes, nichts feſtes, an mir.
Charlottens Laube ſelbſt, wie ſchrecklich ſie mir da iſt! Hier, wo ſo viel Thraͤnen ver- goſſen ſind, hab’ ich Muͤhe die meinigen in Gang zu bringen. Sieh’ mein Sohn! Du biſt zu Superintendenten Leiden und zu Su- perintendenten Freuden gebohren und erkoh- ren, zur hohen Wuͤrde, zur ſchweren Buͤrde. Zum hoͤhern Halleluja, zum tieferen Kyrie Eleiſon. Du biſt, das weiß ich, nicht un- behuͤlflich in dieſem Kummer. — Der Gram iſt durſtig, wenn er aus verungluͤckter Liebe, aus Todesliebe, kommt, hungrig, wenn er Verachtung, Verſpottung zur Triebfeder hat. Trink ein wenig Weins, deines ſchwachen Magens halber, und wiſſe, daß deine Mine wohl verſorgt ſey: aber warum ſchein’ ich es ſelbſt nicht zu wiſſen?
Ach! wer doch einmal droben waͤr! Wenn du gelegentlich, mein Kind, ein Buch: Die große Diana der Epheſer, oder ein Traktaͤtchen von den Accidentien der
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auſſer daß er zuweilen ein Glaͤschen uͤbern
Durſt trank. Eins nur. Jetzt iſt alles mit
mir gar anders! — Das ganze Haupt iſt
krank, das ganze Herz iſt matt, von den
Fußſohlen an, bis zur Scheitel, iſt nichts
geſundes, nichts feſtes, an mir.
Charlottens Laube ſelbſt, wie ſchrecklich
ſie mir da iſt! Hier, wo ſo viel Thraͤnen ver-
goſſen ſind, hab’ ich Muͤhe die meinigen in
Gang zu bringen. Sieh’ mein Sohn! Du
biſt zu Superintendenten Leiden und zu Su-
perintendenten Freuden gebohren und erkoh-
ren, zur hohen Wuͤrde, zur ſchweren Buͤrde.
Zum hoͤhern Halleluja, zum tieferen Kyrie
Eleiſon. Du biſt, das weiß ich, nicht un-
behuͤlflich in dieſem Kummer. — Der Gram
iſt durſtig, wenn er aus verungluͤckter Liebe,
aus Todesliebe, kommt, hungrig, wenn er
Verachtung, Verſpottung zur Triebfeder hat.
Trink ein wenig Weins, deines ſchwachen
Magens halber, und wiſſe, daß deine Mine
wohl verſorgt ſey: aber warum ſchein’ ich es
ſelbſt nicht zu wiſſen?
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Wenn du gelegentlich, mein Kind, ein Buch:
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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