Mein Vater bemerkte: sie dächte alles poetisch. Ein neues Haus ohne Baukosten; indessen bot sie ihm die Spitze durch einen ho- hen Geistlichen, den Pabst Sixtus den fünf- ten, welcher behauptet hätte, daß man auch einem Esel die Arithmetik beybringen könnte.
Der Mond war ihr Liebling. Das Pro- fil und das gerade zu, pflegte sie zu sagen, wie schön! --
Sieh einen Geizigen, sagte meine Mutter, Treppen steigen, wo er nur kann, nimmt er zwey Stuffen auf einmal! Man lasse doch dem Reichen seine volle Scheuren! Ihm, der gemeinhin arm an Leib' und Seel ist! --
Wer Worte aufmutzt, war ihr ein Hahn, der den Auskehrigt nachkehrt. Gern hätte sie gesehen, daß der Hahn die üble Gewohn- heit nicht hätte. Er war ihr ein bedeutendes Thier. Sie selbst war sehr grammaticalisch, und setzte ihren casum.
Die Hölle nannte sie oft brennende Kälte!
Ich meines Orts, pflegte sie zu sagen, habe nichts wider die Herren Philosophen; allein sie sind alle, wie mein Hausphilosoph, im Herzen für den monarchischen Staat. Freyheit ist Himmel!
Der
Mein Vater bemerkte: ſie daͤchte alles poetiſch. Ein neues Haus ohne Baukoſten; indeſſen bot ſie ihm die Spitze durch einen ho- hen Geiſtlichen, den Pabſt Sixtus den fuͤnf- ten, welcher behauptet haͤtte, daß man auch einem Eſel die Arithmetik beybringen koͤnnte.
Der Mond war ihr Liebling. Das Pro- fil und das gerade zu, pflegte ſie zu ſagen, wie ſchoͤn! —
Sieh einen Geizigen, ſagte meine Mutter, Treppen ſteigen, wo er nur kann, nimmt er zwey Stuffen auf einmal! Man laſſe doch dem Reichen ſeine volle Scheuren! Ihm, der gemeinhin arm an Leib’ und Seel iſt! —
Wer Worte aufmutzt, war ihr ein Hahn, der den Auskehrigt nachkehrt. Gern haͤtte ſie geſehen, daß der Hahn die uͤble Gewohn- heit nicht haͤtte. Er war ihr ein bedeutendes Thier. Sie ſelbſt war ſehr grammaticaliſch, und ſetzte ihren caſum.
Die Hoͤlle nannte ſie oft brennende Kaͤlte!
Ich meines Orts, pflegte ſie zu ſagen, habe nichts wider die Herren Philoſophen; allein ſie ſind alle, wie mein Hausphiloſoph, im Herzen fuͤr den monarchiſchen Staat. Freyheit iſt Himmel!
Der
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0136"n="130"/><p>Mein Vater bemerkte: ſie daͤchte alles<lb/>
poetiſch. Ein neues Haus ohne Baukoſten;<lb/>
indeſſen bot ſie ihm die Spitze durch einen ho-<lb/>
hen Geiſtlichen, den Pabſt <hirendition="#fr">Sixtus den fuͤnf-<lb/>
ten,</hi> welcher behauptet haͤtte, daß man auch<lb/>
einem Eſel die Arithmetik beybringen koͤnnte.</p><lb/><p>Der Mond war ihr Liebling. Das Pro-<lb/>
fil und das gerade zu, pflegte ſie zu ſagen,<lb/>
wie ſchoͤn! —</p><lb/><p>Sieh einen Geizigen, ſagte meine Mutter,<lb/>
Treppen ſteigen, wo er nur kann, nimmt er<lb/>
zwey Stuffen auf einmal! Man laſſe doch<lb/>
dem Reichen ſeine volle Scheuren! Ihm, der<lb/>
gemeinhin arm an Leib’ und Seel iſt! —</p><lb/><p>Wer Worte aufmutzt, war ihr ein Hahn,<lb/>
der den Auskehrigt nachkehrt. Gern haͤtte<lb/>ſie geſehen, daß der Hahn die uͤble Gewohn-<lb/>
heit nicht haͤtte. Er war ihr ein bedeutendes<lb/>
Thier. Sie ſelbſt war ſehr grammaticaliſch,<lb/>
und ſetzte ihren <hirendition="#aq">caſum</hi>.</p><lb/><p>Die Hoͤlle nannte ſie oft <hirendition="#fr">brennende</hi><lb/>
Kaͤlte!</p><lb/><p>Ich meines Orts, pflegte ſie zu ſagen,<lb/>
habe nichts wider die Herren Philoſophen;<lb/>
allein ſie ſind alle, wie mein Hausphiloſoph,<lb/>
im Herzen fuͤr den monarchiſchen Staat.<lb/>
Freyheit iſt Himmel!</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[130/0136]
Mein Vater bemerkte: ſie daͤchte alles
poetiſch. Ein neues Haus ohne Baukoſten;
indeſſen bot ſie ihm die Spitze durch einen ho-
hen Geiſtlichen, den Pabſt Sixtus den fuͤnf-
ten, welcher behauptet haͤtte, daß man auch
einem Eſel die Arithmetik beybringen koͤnnte.
Der Mond war ihr Liebling. Das Pro-
fil und das gerade zu, pflegte ſie zu ſagen,
wie ſchoͤn! —
Sieh einen Geizigen, ſagte meine Mutter,
Treppen ſteigen, wo er nur kann, nimmt er
zwey Stuffen auf einmal! Man laſſe doch
dem Reichen ſeine volle Scheuren! Ihm, der
gemeinhin arm an Leib’ und Seel iſt! —
Wer Worte aufmutzt, war ihr ein Hahn,
der den Auskehrigt nachkehrt. Gern haͤtte
ſie geſehen, daß der Hahn die uͤble Gewohn-
heit nicht haͤtte. Er war ihr ein bedeutendes
Thier. Sie ſelbſt war ſehr grammaticaliſch,
und ſetzte ihren caſum.
Die Hoͤlle nannte ſie oft brennende
Kaͤlte!
Ich meines Orts, pflegte ſie zu ſagen,
habe nichts wider die Herren Philoſophen;
allein ſie ſind alle, wie mein Hausphiloſoph,
im Herzen fuͤr den monarchiſchen Staat.
Freyheit iſt Himmel!
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/136>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.