Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Dichter ist für gleich und recht aus
der goldnen Zeit her. Er hebt alles Ansehn
auf. Den Großen läßt er einen Kittel anzie-
hen, den Unbedeutenden einen blanken Rock!
Das beste ist, es kostet ihn nichts. Er ebenet
und gleicht alles, und da sieht man sonnen-
klar, daß kein Ansehn in der Welt ist! Er
ahmet Gott nach: denn auch vom Dichter
kann es heißen:

Es ist dem Dichter alles gleich,
Den Großen klein und arm zu machen;
Den Armen aber groß und reich!
Er ist der rechte Wundermann --

Da liegt die Ursache, warum nur gewöhnlich
arme Leute dichten?

Das Pfingstfest nannte sie Geniefest, und
hielt es für nothwendig, daß in diesen heili-
gen Tagen Wein getrunken würde. Selbst
Champagner, wenn nicht anders. In Ostern
aß sie ein Lamm mit Brunnenkresse. Ueber-
haupt verwahrte sie alle Erstgeburt, so die Mut-
ter gebrochen, auf Festtage. Die Erstgeburt
war ihr heilig. Auch selbst das erste Glas
aus einer Flasche war ihr wie Erstgeburt
werth. Sie gab es dem, den sie lieb hatte.

Sehr war sie für ihr Geschlecht; indessen
war Adam doch die Erstgeburt, das konnte sie

nicht
J 2

Der Dichter iſt fuͤr gleich und recht aus
der goldnen Zeit her. Er hebt alles Anſehn
auf. Den Großen laͤßt er einen Kittel anzie-
hen, den Unbedeutenden einen blanken Rock!
Das beſte iſt, es koſtet ihn nichts. Er ebenet
und gleicht alles, und da ſieht man ſonnen-
klar, daß kein Anſehn in der Welt iſt! Er
ahmet Gott nach: denn auch vom Dichter
kann es heißen:

Es iſt dem Dichter alles gleich,
Den Großen klein und arm zu machen;
Den Armen aber groß und reich!
Er iſt der rechte Wundermann —

Da liegt die Urſache, warum nur gewoͤhnlich
arme Leute dichten?

Das Pfingſtfeſt nannte ſie Geniefeſt, und
hielt es fuͤr nothwendig, daß in dieſen heili-
gen Tagen Wein getrunken wuͤrde. Selbſt
Champagner, wenn nicht anders. In Oſtern
aß ſie ein Lamm mit Brunnenkreſſe. Ueber-
haupt verwahrte ſie alle Erſtgeburt, ſo die Mut-
ter gebrochen, auf Feſttage. Die Erſtgeburt
war ihr heilig. Auch ſelbſt das erſte Glas
aus einer Flaſche war ihr wie Erſtgeburt
werth. Sie gab es dem, den ſie lieb hatte.

Sehr war ſie fuͤr ihr Geſchlecht; indeſſen
war Adam doch die Erſtgeburt, das konnte ſie

nicht
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0137" n="131"/>
        <p>Der Dichter i&#x017F;t fu&#x0364;r gleich und recht aus<lb/>
der goldnen Zeit her. Er hebt alles An&#x017F;ehn<lb/>
auf. Den Großen la&#x0364;ßt er einen Kittel anzie-<lb/>
hen, den Unbedeutenden einen blanken Rock!<lb/>
Das be&#x017F;te i&#x017F;t, es ko&#x017F;tet ihn nichts. Er ebenet<lb/>
und gleicht alles, und da &#x017F;ieht man &#x017F;onnen-<lb/>
klar, daß kein An&#x017F;ehn in der Welt i&#x017F;t! Er<lb/>
ahmet Gott nach: denn auch vom Dichter<lb/>
kann es heißen:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Es i&#x017F;t dem Dichter alles gleich,</l><lb/>
          <l>Den Großen klein und arm zu machen;</l><lb/>
          <l>Den Armen aber groß und reich!</l><lb/>
          <l>Er i&#x017F;t der rechte Wundermann &#x2014;</l>
        </lg><lb/>
        <p>Da liegt die Ur&#x017F;ache, warum nur gewo&#x0364;hnlich<lb/>
arme Leute dichten?</p><lb/>
        <p>Das Pfing&#x017F;tfe&#x017F;t nannte &#x017F;ie Geniefe&#x017F;t, und<lb/>
hielt es fu&#x0364;r nothwendig, daß in die&#x017F;en heili-<lb/>
gen Tagen Wein getrunken wu&#x0364;rde. Selb&#x017F;t<lb/>
Champagner, wenn nicht anders. In O&#x017F;tern<lb/>&#x017F;ie ein Lamm mit Brunnenkre&#x017F;&#x017F;e. Ueber-<lb/>
haupt verwahrte &#x017F;ie alle Er&#x017F;tgeburt, &#x017F;o die Mut-<lb/>
ter gebrochen, auf Fe&#x017F;ttage. Die Er&#x017F;tgeburt<lb/>
war ihr heilig. Auch &#x017F;elb&#x017F;t das er&#x017F;te Glas<lb/>
aus einer Fla&#x017F;che war ihr wie Er&#x017F;tgeburt<lb/>
werth. Sie gab es dem, den &#x017F;ie lieb hatte.</p><lb/>
        <p>Sehr war &#x017F;ie fu&#x0364;r ihr Ge&#x017F;chlecht; inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
war Adam doch die Er&#x017F;tgeburt, das konnte &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0137] Der Dichter iſt fuͤr gleich und recht aus der goldnen Zeit her. Er hebt alles Anſehn auf. Den Großen laͤßt er einen Kittel anzie- hen, den Unbedeutenden einen blanken Rock! Das beſte iſt, es koſtet ihn nichts. Er ebenet und gleicht alles, und da ſieht man ſonnen- klar, daß kein Anſehn in der Welt iſt! Er ahmet Gott nach: denn auch vom Dichter kann es heißen: Es iſt dem Dichter alles gleich, Den Großen klein und arm zu machen; Den Armen aber groß und reich! Er iſt der rechte Wundermann — Da liegt die Urſache, warum nur gewoͤhnlich arme Leute dichten? Das Pfingſtfeſt nannte ſie Geniefeſt, und hielt es fuͤr nothwendig, daß in dieſen heili- gen Tagen Wein getrunken wuͤrde. Selbſt Champagner, wenn nicht anders. In Oſtern aß ſie ein Lamm mit Brunnenkreſſe. Ueber- haupt verwahrte ſie alle Erſtgeburt, ſo die Mut- ter gebrochen, auf Feſttage. Die Erſtgeburt war ihr heilig. Auch ſelbſt das erſte Glas aus einer Flaſche war ihr wie Erſtgeburt werth. Sie gab es dem, den ſie lieb hatte. Sehr war ſie fuͤr ihr Geſchlecht; indeſſen war Adam doch die Erſtgeburt, das konnte ſie nicht J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/137
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/137>, abgerufen am 26.11.2024.