Ein Berg ist die eigentliche Kanzel Got- tes! Christus, der Herr, bestieg selbst eine dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.
Vernunft nannte sie Unterfutter! Ober- zeug, sagte sie, muß Dichtkunst seyn, wenn es kleiden soll.
Sie konnte nichts übertriebenes leiden, und übertrieb selbst, wenn sie dergleichen Leute auf den rechten Weg leiten wollte "thut sie doch so keusch, daß sie Bedenken trägt, ein Söhnlein christlicher Eltern über der Taufe zu halten" --
Einen Unbeständigen bezahlte sie mit glei- cher Münze. In Mutterleibe, sagte sie, ist er am längsten gewesen. Wer hat aber seine Mutter drüber befragt, ob sie nicht Be- schwerde zu führen gehabt, daß er den Zaun brechen wollen, eh es Zeit war?
Für die Augspurgsche Confeßion war sie über alle Maaßen. Herzlich konnte sie sich über einen curschen Candidaten freuen, der auf die Frage: woher sie Confessio Augu- stana hieße? antwortete, weil sie von Augu- stino herkäme; warum nicht gar vom Kay- ser Augusto, der eine Schatzung ausschrieb? Der Conversus war aus Augspurg, kein
Wun-
Ein Berg iſt die eigentliche Kanzel Got- tes! Chriſtus, der Herr, beſtieg ſelbſt eine dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.
Vernunft nannte ſie Unterfutter! Ober- zeug, ſagte ſie, muß Dichtkunſt ſeyn, wenn es kleiden ſoll.
Sie konnte nichts uͤbertriebenes leiden, und uͤbertrieb ſelbſt, wenn ſie dergleichen Leute auf den rechten Weg leiten wollte „thut ſie doch ſo keuſch, daß ſie Bedenken traͤgt, ein Soͤhnlein chriſtlicher Eltern uͤber der Taufe zu halten“ —
Einen Unbeſtaͤndigen bezahlte ſie mit glei- cher Muͤnze. In Mutterleibe, ſagte ſie, iſt er am laͤngſten geweſen. Wer hat aber ſeine Mutter druͤber befragt, ob ſie nicht Be- ſchwerde zu fuͤhren gehabt, daß er den Zaun brechen wollen, eh es Zeit war?
Fuͤr die Augſpurgſche Confeßion war ſie uͤber alle Maaßen. Herzlich konnte ſie ſich uͤber einen curſchen Candidaten freuen, der auf die Frage: woher ſie Confeſſio Augu- ſtana hieße? antwortete, weil ſie von Augu- ſtino herkaͤme; warum nicht gar vom Kay- ſer Auguſto, der eine Schatzung ausſchrieb? Der Converſus war aus Augſpurg, kein
Wun-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0145"n="139"/><p>Ein Berg iſt die eigentliche Kanzel Got-<lb/>
tes! Chriſtus, der Herr, beſtieg ſelbſt eine<lb/>
dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.</p><lb/><p>Vernunft nannte ſie <hirendition="#fr">Unterfutter!</hi> Ober-<lb/>
zeug, ſagte ſie, muß Dichtkunſt ſeyn, wenn<lb/>
es kleiden ſoll.</p><lb/><p>Sie konnte nichts uͤbertriebenes leiden,<lb/>
und uͤbertrieb ſelbſt, wenn ſie dergleichen<lb/>
Leute auf den rechten Weg leiten wollte „thut<lb/>ſie doch ſo keuſch, daß ſie Bedenken traͤgt,<lb/>
ein Soͤhnlein chriſtlicher Eltern uͤber der Taufe<lb/>
zu halten“—</p><lb/><p>Einen Unbeſtaͤndigen bezahlte ſie mit glei-<lb/>
cher Muͤnze. In Mutterleibe, ſagte ſie, iſt<lb/>
er am laͤngſten geweſen. Wer hat aber ſeine<lb/>
Mutter druͤber befragt, ob ſie nicht Be-<lb/>ſchwerde zu fuͤhren gehabt, daß er den Zaun<lb/>
brechen wollen, eh es Zeit war?</p><lb/><p>Fuͤr die <hirendition="#fr">Augſpurgſche Confeßion</hi> war<lb/>ſie uͤber alle Maaßen. Herzlich konnte ſie<lb/>ſich uͤber einen curſchen Candidaten freuen,<lb/>
der auf die Frage: woher ſie <hirendition="#aq">Confeſſio Augu-<lb/>ſtana</hi> hieße? antwortete, weil ſie von <hirendition="#aq">Augu-<lb/>ſtino</hi> herkaͤme; warum nicht gar vom Kay-<lb/>ſer Auguſto, der eine Schatzung ausſchrieb?<lb/>
Der <hirendition="#fr">Converſus</hi> war aus <hirendition="#fr">Augſpurg,</hi> kein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wun-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[139/0145]
Ein Berg iſt die eigentliche Kanzel Got-
tes! Chriſtus, der Herr, beſtieg ſelbſt eine
dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.
Vernunft nannte ſie Unterfutter! Ober-
zeug, ſagte ſie, muß Dichtkunſt ſeyn, wenn
es kleiden ſoll.
Sie konnte nichts uͤbertriebenes leiden,
und uͤbertrieb ſelbſt, wenn ſie dergleichen
Leute auf den rechten Weg leiten wollte „thut
ſie doch ſo keuſch, daß ſie Bedenken traͤgt,
ein Soͤhnlein chriſtlicher Eltern uͤber der Taufe
zu halten“ —
Einen Unbeſtaͤndigen bezahlte ſie mit glei-
cher Muͤnze. In Mutterleibe, ſagte ſie, iſt
er am laͤngſten geweſen. Wer hat aber ſeine
Mutter druͤber befragt, ob ſie nicht Be-
ſchwerde zu fuͤhren gehabt, daß er den Zaun
brechen wollen, eh es Zeit war?
Fuͤr die Augſpurgſche Confeßion war
ſie uͤber alle Maaßen. Herzlich konnte ſie
ſich uͤber einen curſchen Candidaten freuen,
der auf die Frage: woher ſie Confeſſio Augu-
ſtana hieße? antwortete, weil ſie von Augu-
ſtino herkaͤme; warum nicht gar vom Kay-
ſer Auguſto, der eine Schatzung ausſchrieb?
Der Converſus war aus Augſpurg, kein
Wun-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/145>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.