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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Ein Berg ist die eigentliche Kanzel Got-
tes! Christus, der Herr, bestieg selbst eine
dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.

Vernunft nannte sie Unterfutter! Ober-
zeug, sagte sie, muß Dichtkunst seyn, wenn
es kleiden soll.

Sie konnte nichts übertriebenes leiden,
und übertrieb selbst, wenn sie dergleichen
Leute auf den rechten Weg leiten wollte "thut
sie doch so keusch, daß sie Bedenken trägt,
ein Söhnlein christlicher Eltern über der Taufe
zu halten" --

Einen Unbeständigen bezahlte sie mit glei-
cher Münze. In Mutterleibe, sagte sie, ist
er am längsten gewesen. Wer hat aber seine
Mutter drüber befragt, ob sie nicht Be-
schwerde zu führen gehabt, daß er den Zaun
brechen wollen, eh es Zeit war?

Für die Augspurgsche Confeßion war
sie über alle Maaßen. Herzlich konnte sie
sich über einen curschen Candidaten freuen,
der auf die Frage: woher sie Confessio Augu-
stana
hieße? antwortete, weil sie von Augu-
stino
herkäme; warum nicht gar vom Kay-
ser Augusto, der eine Schatzung ausschrieb?
Der Conversus war aus Augspurg, kein

Wun-

Ein Berg iſt die eigentliche Kanzel Got-
tes! Chriſtus, der Herr, beſtieg ſelbſt eine
dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich.

Vernunft nannte ſie Unterfutter! Ober-
zeug, ſagte ſie, muß Dichtkunſt ſeyn, wenn
es kleiden ſoll.

Sie konnte nichts uͤbertriebenes leiden,
und uͤbertrieb ſelbſt, wenn ſie dergleichen
Leute auf den rechten Weg leiten wollte „thut
ſie doch ſo keuſch, daß ſie Bedenken traͤgt,
ein Soͤhnlein chriſtlicher Eltern uͤber der Taufe
zu halten“ —

Einen Unbeſtaͤndigen bezahlte ſie mit glei-
cher Muͤnze. In Mutterleibe, ſagte ſie, iſt
er am laͤngſten geweſen. Wer hat aber ſeine
Mutter druͤber befragt, ob ſie nicht Be-
ſchwerde zu fuͤhren gehabt, daß er den Zaun
brechen wollen, eh es Zeit war?

Fuͤr die Augſpurgſche Confeßion war
ſie uͤber alle Maaßen. Herzlich konnte ſie
ſich uͤber einen curſchen Candidaten freuen,
der auf die Frage: woher ſie Confeſſio Augu-
ſtana
hieße? antwortete, weil ſie von Augu-
ſtino
herkaͤme; warum nicht gar vom Kay-
ſer Auguſto, der eine Schatzung ausſchrieb?
Der Converſus war aus Augſpurg, kein

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[139/0145] Ein Berg iſt die eigentliche Kanzel Got- tes! Chriſtus, der Herr, beſtieg ſelbſt eine dergleichen Kanzel, und predigte gewaltiglich. Vernunft nannte ſie Unterfutter! Ober- zeug, ſagte ſie, muß Dichtkunſt ſeyn, wenn es kleiden ſoll. Sie konnte nichts uͤbertriebenes leiden, und uͤbertrieb ſelbſt, wenn ſie dergleichen Leute auf den rechten Weg leiten wollte „thut ſie doch ſo keuſch, daß ſie Bedenken traͤgt, ein Soͤhnlein chriſtlicher Eltern uͤber der Taufe zu halten“ — Einen Unbeſtaͤndigen bezahlte ſie mit glei- cher Muͤnze. In Mutterleibe, ſagte ſie, iſt er am laͤngſten geweſen. Wer hat aber ſeine Mutter druͤber befragt, ob ſie nicht Be- ſchwerde zu fuͤhren gehabt, daß er den Zaun brechen wollen, eh es Zeit war? Fuͤr die Augſpurgſche Confeßion war ſie uͤber alle Maaßen. Herzlich konnte ſie ſich uͤber einen curſchen Candidaten freuen, der auf die Frage: woher ſie Confeſſio Augu- ſtana hieße? antwortete, weil ſie von Augu- ſtino herkaͤme; warum nicht gar vom Kay- ſer Auguſto, der eine Schatzung ausſchrieb? Der Converſus war aus Augſpurg, kein Wun-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/145>, abgerufen am 26.11.2024.