Mein Vater war gleich mit einem Riß fertig. Meine Leser werden selbst so manche Abschnitzel von Entwürfen bemerkt haben. Gern aber mochte meine Mutter Plane hö- ren, z. B. die Disposition meines Vaters von der Sonntagspredigt schon Sonnabends zu wissen, war ihr Leben. Mein Vater nannt' es den Küchenzettel der Predigt. Meine Mutter war mit diesem Ausdruck höchst unzufrieden.
Sie sah sehr ungern, wenn irgend ein gemeiner Mensch ein Instrument spielte. Singen, sagte sie, muß jeder können; allein spielen nur der, wer Geld und Zeit hat. Sie glaubte, ein Reicher hätte unendlich mehr Zeit, als ein Armer, und man könne würk- lich Zeit kaufen. --
Sehet die Vögel unterm Himmel, sie säen nicht, sie spinnen nicht, und darum sin- gen sie doch, pflegte sie zu sagen.
Das Schreiben hielte sie in Absicht des gemeinen Haufens unnöthig, sogar schädlich, dagegen behauptete sie, müsse jeder Mensch sein Augenmaas excoliren, das heißt: setzte sie hinzu, zeichnen lernen, wenn nicht anders, so mit den Augen allein. --
Weder
Mein Vater war gleich mit einem Riß fertig. Meine Leſer werden ſelbſt ſo manche Abſchnitzel von Entwuͤrfen bemerkt haben. Gern aber mochte meine Mutter Plane hoͤ- ren, z. B. die Diſpoſition meines Vaters von der Sonntagspredigt ſchon Sonnabends zu wiſſen, war ihr Leben. Mein Vater nannt’ es den Kuͤchenzettel der Predigt. Meine Mutter war mit dieſem Ausdruck hoͤchſt unzufrieden.
Sie ſah ſehr ungern, wenn irgend ein gemeiner Menſch ein Inſtrument ſpielte. Singen, ſagte ſie, muß jeder koͤnnen; allein ſpielen nur der, wer Geld und Zeit hat. Sie glaubte, ein Reicher haͤtte unendlich mehr Zeit, als ein Armer, und man koͤnne wuͤrk- lich Zeit kaufen. —
Sehet die Voͤgel unterm Himmel, ſie ſaͤen nicht, ſie ſpinnen nicht, und darum ſin- gen ſie doch, pflegte ſie zu ſagen.
Das Schreiben hielte ſie in Abſicht des gemeinen Haufens unnoͤthig, ſogar ſchaͤdlich, dagegen behauptete ſie, muͤſſe jeder Menſch ſein Augenmaas excoliren, das heißt: ſetzte ſie hinzu, zeichnen lernen, wenn nicht anders, ſo mit den Augen allein. —
Weder
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Mein Vater war gleich mit einem Riß
fertig. Meine Leſer werden ſelbſt ſo manche
Abſchnitzel von Entwuͤrfen bemerkt haben.
Gern aber mochte meine Mutter Plane hoͤ-
ren, z. B. die Diſpoſition meines Vaters
von der Sonntagspredigt ſchon Sonnabends
zu wiſſen, war ihr Leben. Mein Vater
nannt’ es den Kuͤchenzettel der Predigt.
Meine Mutter war mit dieſem Ausdruck
hoͤchſt unzufrieden.
Sie ſah ſehr ungern, wenn irgend ein
gemeiner Menſch ein Inſtrument ſpielte.
Singen, ſagte ſie, muß jeder koͤnnen; allein
ſpielen nur der, wer Geld und Zeit hat. Sie
glaubte, ein Reicher haͤtte unendlich mehr
Zeit, als ein Armer, und man koͤnne wuͤrk-
lich Zeit kaufen. —
Sehet die Voͤgel unterm Himmel, ſie
ſaͤen nicht, ſie ſpinnen nicht, und darum ſin-
gen ſie doch, pflegte ſie zu ſagen.
Das Schreiben hielte ſie in Abſicht des
gemeinen Haufens unnoͤthig, ſogar ſchaͤdlich,
dagegen behauptete ſie, muͤſſe jeder Menſch
ſein Augenmaas excoliren, das heißt: ſetzte
ſie hinzu, zeichnen lernen, wenn nicht anders,
ſo mit den Augen allein. —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/148>, abgerufen am 27.11.2024.
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