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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Weder Hefen, noch Schaum -- Der
alte Herr ist oft beydes -- Sie goß alles
ohne Schäumchen auf.

Ein Becher war ihr liebstes Geschirr; ein
Halbbruder vom Kelch, sagte sie. Mein Va-
ter war für Gläser.

Der Champagner war ein Stutzer unter
den Weinen! Windbeutel nannte sie ihn --
In Pfingsten hieß er Geniewein.

Sie aß gern Honigseim, wie sie es nannte,
zu teutsch Honigkuchen.

Sie hatte eine Weise, der Mode nicht
ungetreu zu seyn; indessen brachte sie dabey
etwas an, wodurch sie ihre cursche Freyheit
sich reservirte. Mein Vater, der Monar-
chenfreund, versicherte, daß sie eben diese
Abweichung am vortheilhaftesten gekleidet
hätte, und in Wahrheit, eine blos modische
Frau ist geputzt, eine die, wenns nöthig, sich
selbst etwas vorbehält, hat Geschmack. Sie
gieng sehr reinlich. Wenn sie sich unge-
wöhnlich ankleidete, pflegte sie zu sagen:
Wir brauchen Brod alle Tage; Geld aber
nur alle Jahr.

Walt ewiger Gott! wie viel Vorliebe hat
der Mensch doch fürs Sinnliche! Läßt er
wohl das Kippen und Wippen? Und doch ist

er

Weder Hefen, noch Schaum — Der
alte Herr iſt oft beydes — Sie goß alles
ohne Schaͤumchen auf.

Ein Becher war ihr liebſtes Geſchirr; ein
Halbbruder vom Kelch, ſagte ſie. Mein Va-
ter war fuͤr Glaͤſer.

Der Champagner war ein Stutzer unter
den Weinen! Windbeutel nannte ſie ihn —
In Pfingſten hieß er Geniewein.

Sie aß gern Honigſeim, wie ſie es nannte,
zu teutſch Honigkuchen.

Sie hatte eine Weiſe, der Mode nicht
ungetreu zu ſeyn; indeſſen brachte ſie dabey
etwas an, wodurch ſie ihre curſche Freyheit
ſich reſervirte. Mein Vater, der Monar-
chenfreund, verſicherte, daß ſie eben dieſe
Abweichung am vortheilhafteſten gekleidet
haͤtte, und in Wahrheit, eine blos modiſche
Frau iſt geputzt, eine die, wenns noͤthig, ſich
ſelbſt etwas vorbehaͤlt, hat Geſchmack. Sie
gieng ſehr reinlich. Wenn ſie ſich unge-
woͤhnlich ankleidete, pflegte ſie zu ſagen:
Wir brauchen Brod alle Tage; Geld aber
nur alle Jahr.

Walt ewiger Gott! wie viel Vorliebe hat
der Menſch doch fuͤrs Sinnliche! Laͤßt er
wohl das Kippen und Wippen? Und doch iſt

er
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[143/0149] Weder Hefen, noch Schaum — Der alte Herr iſt oft beydes — Sie goß alles ohne Schaͤumchen auf. Ein Becher war ihr liebſtes Geſchirr; ein Halbbruder vom Kelch, ſagte ſie. Mein Va- ter war fuͤr Glaͤſer. Der Champagner war ein Stutzer unter den Weinen! Windbeutel nannte ſie ihn — In Pfingſten hieß er Geniewein. Sie aß gern Honigſeim, wie ſie es nannte, zu teutſch Honigkuchen. Sie hatte eine Weiſe, der Mode nicht ungetreu zu ſeyn; indeſſen brachte ſie dabey etwas an, wodurch ſie ihre curſche Freyheit ſich reſervirte. Mein Vater, der Monar- chenfreund, verſicherte, daß ſie eben dieſe Abweichung am vortheilhafteſten gekleidet haͤtte, und in Wahrheit, eine blos modiſche Frau iſt geputzt, eine die, wenns noͤthig, ſich ſelbſt etwas vorbehaͤlt, hat Geſchmack. Sie gieng ſehr reinlich. Wenn ſie ſich unge- woͤhnlich ankleidete, pflegte ſie zu ſagen: Wir brauchen Brod alle Tage; Geld aber nur alle Jahr. Walt ewiger Gott! wie viel Vorliebe hat der Menſch doch fuͤrs Sinnliche! Laͤßt er wohl das Kippen und Wippen? Und doch iſt er

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/149>, abgerufen am 27.11.2024.