Kann es je heissen: Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht, aber sie suchen viele Künste; so hier --
Das Herz war das Gesetz unseres theu- ren v. G -- und wahrlich ein treflicher Gesetzgeber, wenn es wie das v. G -- sche ist!
Empfindsamkeit, pflegt' er zu sagen, schützt vor Zügellosigkeit; allein was ist bes- ser, zügellos oder weibisch? --
Er glaubte, daß es Hand, Mund und Herzensworte gebe. Die Augen sind filiale, pflegte er zu sagen, vom Herzen; die Füße von den Händen; der Mund hat keinen so nahen Bundesgenossen --
So bald über Natur die Rede gieng, war er unüberwindlich; in der Kunst war er gern Schüler! Selbst im Wortwechsel über- rumpelte er keinen. Seinen Grundsätzen war er treu, wie Gold. Er war kein Prä- varicator, kein zweer Herren Diener.
Die Hauptsache, worüber mein Vater und der Herr v. G -- uneins geworden, wa- ren freylich die drey Artikel des christlichen Glaubens; indessen stand der monarchische
Staat
Kann es je heiſſen: Gott hat den Menſchen aufrichtig gemacht, aber ſie ſuchen viele Kuͤnſte; ſo hier —
Das Herz war das Geſetz unſeres theu- ren v. G — und wahrlich ein treflicher Geſetzgeber, wenn es wie das v. G — ſche iſt!
Empfindſamkeit, pflegt’ er zu ſagen, ſchuͤtzt vor Zuͤgelloſigkeit; allein was iſt beſ- ſer, zuͤgellos oder weibiſch? —
Er glaubte, daß es Hand, Mund und Herzensworte gebe. Die Augen ſind filiale, pflegte er zu ſagen, vom Herzen; die Fuͤße von den Haͤnden; der Mund hat keinen ſo nahen Bundesgenoſſen —
So bald uͤber Natur die Rede gieng, war er unuͤberwindlich; in der Kunſt war er gern Schuͤler! Selbſt im Wortwechſel uͤber- rumpelte er keinen. Seinen Grundſaͤtzen war er treu, wie Gold. Er war kein Praͤ- varicator, kein zweer Herren Diener.
Die Hauptſache, woruͤber mein Vater und der Herr v. G — uneins geworden, wa- ren freylich die drey Artikel des chriſtlichen Glaubens; indeſſen ſtand der monarchiſche
Staat
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Kann es je heiſſen: Gott hat den Menſchen
aufrichtig gemacht, aber ſie ſuchen viele
Kuͤnſte; ſo hier —
Das Herz war das Geſetz unſeres theu-
ren v. G — und wahrlich ein treflicher
Geſetzgeber, wenn es wie das v. G — ſche
iſt!
Empfindſamkeit, pflegt’ er zu ſagen,
ſchuͤtzt vor Zuͤgelloſigkeit; allein was iſt beſ-
ſer, zuͤgellos oder weibiſch? —
Er glaubte, daß es Hand, Mund und
Herzensworte gebe. Die Augen ſind filiale,
pflegte er zu ſagen, vom Herzen; die Fuͤße
von den Haͤnden; der Mund hat keinen ſo
nahen Bundesgenoſſen —
So bald uͤber Natur die Rede gieng, war
er unuͤberwindlich; in der Kunſt war er gern
Schuͤler! Selbſt im Wortwechſel uͤber-
rumpelte er keinen. Seinen Grundſaͤtzen
war er treu, wie Gold. Er war kein Praͤ-
varicator, kein zweer Herren Diener.
Die Hauptſache, woruͤber mein Vater
und der Herr v. G — uneins geworden, wa-
ren freylich die drey Artikel des chriſtlichen
Glaubens; indeſſen ſtand der monarchiſche
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/180>, abgerufen am 25.11.2024.
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