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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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wandelte, nur daß ihn seine Vernunft zum
Herrn über seine Schulcammeraden machte!
Der Mensch saß in Prima. Keinem Men-
schen fiel es ein, sich Grenzen abzuzeichnen.
Eine Höhle, das war alles, was er nöthig
hatte, und auf die war er so wenig neidisch,
und hatt' es auch so wenig Ursache zu seyn,
daß niemand so leicht dem andern in den Weg
kam. Er gieng nackt und brauchte keine Klei-
der. Kleider sind eben das, so den meisten
Zank unter den Menschen verursacht; denn
sie sind beständig sichtbar: dagegen Speise
und Trank, wenn es gleich Neid verursacht,
ihn auch wieder dämpft, weil es nicht ins
Auge fällt. Die Vernunft braucht Gesetze,
so bald sie heranwächst. Diese Zäune, diese
Grenzen, brauchte auch das menschliche Ge-
schlecht, da es mehr seine Stärke fühlte. Die
Herrschaft über die Thiere bracht' es zur Herr-
schaft unter sich. Die ersten Grenzzeichen wa-
ren Bäume; wer sie nicht achtete, war der
Mensch. Das Weib reizte den Mann, der
Kinder halber, an, die mit dem zugewiesenen
Platz nicht auskommen würden, und so brach
der Mensch die Grenze, und von diesem Zeit-
punkt an, lernte er aus der Sünde, aus der
Grenzübertretung, das Gute und Böse erken-

nen,
O 4

wandelte, nur daß ihn ſeine Vernunft zum
Herrn uͤber ſeine Schulcammeraden machte!
Der Menſch ſaß in Prima. Keinem Men-
ſchen fiel es ein, ſich Grenzen abzuzeichnen.
Eine Hoͤhle, das war alles, was er noͤthig
hatte, und auf die war er ſo wenig neidiſch,
und hatt’ es auch ſo wenig Urſache zu ſeyn,
daß niemand ſo leicht dem andern in den Weg
kam. Er gieng nackt und brauchte keine Klei-
der. Kleider ſind eben das, ſo den meiſten
Zank unter den Menſchen verurſacht; denn
ſie ſind beſtaͤndig ſichtbar: dagegen Speiſe
und Trank, wenn es gleich Neid verurſacht,
ihn auch wieder daͤmpft, weil es nicht ins
Auge faͤllt. Die Vernunft braucht Geſetze,
ſo bald ſie heranwaͤchſt. Dieſe Zaͤune, dieſe
Grenzen, brauchte auch das menſchliche Ge-
ſchlecht, da es mehr ſeine Staͤrke fuͤhlte. Die
Herrſchaft uͤber die Thiere bracht’ es zur Herr-
ſchaft unter ſich. Die erſten Grenzzeichen wa-
ren Baͤume; wer ſie nicht achtete, war der
Menſch. Das Weib reizte den Mann, der
Kinder halber, an, die mit dem zugewieſenen
Platz nicht auskommen wuͤrden, und ſo brach
der Menſch die Grenze, und von dieſem Zeit-
punkt an, lernte er aus der Suͤnde, aus der
Grenzuͤbertretung, das Gute und Boͤſe erken-

nen,
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[215/0221] wandelte, nur daß ihn ſeine Vernunft zum Herrn uͤber ſeine Schulcammeraden machte! Der Menſch ſaß in Prima. Keinem Men- ſchen fiel es ein, ſich Grenzen abzuzeichnen. Eine Hoͤhle, das war alles, was er noͤthig hatte, und auf die war er ſo wenig neidiſch, und hatt’ es auch ſo wenig Urſache zu ſeyn, daß niemand ſo leicht dem andern in den Weg kam. Er gieng nackt und brauchte keine Klei- der. Kleider ſind eben das, ſo den meiſten Zank unter den Menſchen verurſacht; denn ſie ſind beſtaͤndig ſichtbar: dagegen Speiſe und Trank, wenn es gleich Neid verurſacht, ihn auch wieder daͤmpft, weil es nicht ins Auge faͤllt. Die Vernunft braucht Geſetze, ſo bald ſie heranwaͤchſt. Dieſe Zaͤune, dieſe Grenzen, brauchte auch das menſchliche Ge- ſchlecht, da es mehr ſeine Staͤrke fuͤhlte. Die Herrſchaft uͤber die Thiere bracht’ es zur Herr- ſchaft unter ſich. Die erſten Grenzzeichen wa- ren Baͤume; wer ſie nicht achtete, war der Menſch. Das Weib reizte den Mann, der Kinder halber, an, die mit dem zugewieſenen Platz nicht auskommen wuͤrden, und ſo brach der Menſch die Grenze, und von dieſem Zeit- punkt an, lernte er aus der Suͤnde, aus der Grenzuͤbertretung, das Gute und Boͤſe erken- nen, O 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/221>, abgerufen am 23.11.2024.