was er wohl lieber aufgeben würde: die Bi- bel, oder die natürliche Religion? So et- was zu fragen --
Herr v. G -- konnte nicht aufhören, sich über die Unzulänglichkeit der evangelischen Nachrichten zu beklagen. Mein Vater erwie- derte. Freylich sind es fünf Gerstenbrodte und ein wenig Fischlein, so die Evangelisten zurückgelassen; allein den Segen drüber ge- sprochen; so ist es hinreichend, daß vier tau- send Mann davon gespeist werden können, wenn sie auch noch so heißhungrig sind, und wie viel Körbe blieben nicht noch für den Den- ker übrig! --
Herr v. G -- war, wie meine Leser sichs leicht vorstellen können, bey einer solchen Denkart ein Sokratiker. Ich bin ein Christ, sagte mein Vater, mache mir eine Ehre draus, und alle Rechtschafne erkennen mich dafür?
Hier konnte man wohl mit Recht als ob und ja wohl fragen und antworten.
Wenn ich noch mit einem Pausch und Bogengespräch über den Sokrates dienen kann, welches über die zehnjährige Entfer-
nung
was er wohl lieber aufgeben wuͤrde: die Bi- bel, oder die natuͤrliche Religion? So et- was zu fragen —
Herr v. G — konnte nicht aufhoͤren, ſich uͤber die Unzulaͤnglichkeit der evangeliſchen Nachrichten zu beklagen. Mein Vater erwie- derte. Freylich ſind es fuͤnf Gerſtenbrodte und ein wenig Fiſchlein, ſo die Evangeliſten zuruͤckgelaſſen; allein den Segen druͤber ge- ſprochen; ſo iſt es hinreichend, daß vier tau- ſend Mann davon geſpeiſt werden koͤnnen, wenn ſie auch noch ſo heißhungrig ſind, und wie viel Koͤrbe blieben nicht noch fuͤr den Den- ker uͤbrig! —
Herr v. G — war, wie meine Leſer ſichs leicht vorſtellen koͤnnen, bey einer ſolchen Denkart ein Sokratiker. Ich bin ein Chriſt, ſagte mein Vater, mache mir eine Ehre draus, und alle Rechtſchafne erkennen mich dafuͤr?
Hier konnte man wohl mit Recht als ob und ja wohl fragen und antworten.
Wenn ich noch mit einem Pauſch und Bogengeſpraͤch uͤber den Sokrates dienen kann, welches uͤber die zehnjaͤhrige Entfer-
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was er wohl lieber aufgeben wuͤrde: die Bi-
bel, oder die natuͤrliche Religion? So et-
was zu fragen —
Herr v. G — konnte nicht aufhoͤren, ſich
uͤber die Unzulaͤnglichkeit der evangeliſchen
Nachrichten zu beklagen. Mein Vater erwie-
derte. Freylich ſind es fuͤnf Gerſtenbrodte
und ein wenig Fiſchlein, ſo die Evangeliſten
zuruͤckgelaſſen; allein den Segen druͤber ge-
ſprochen; ſo iſt es hinreichend, daß vier tau-
ſend Mann davon geſpeiſt werden koͤnnen,
wenn ſie auch noch ſo heißhungrig ſind, und
wie viel Koͤrbe blieben nicht noch fuͤr den Den-
ker uͤbrig! —
Herr v. G — war, wie meine Leſer ſichs
leicht vorſtellen koͤnnen, bey einer ſolchen
Denkart ein Sokratiker. Ich bin ein
Chriſt, ſagte mein Vater, mache mir eine
Ehre draus, und alle Rechtſchafne erkennen
mich dafuͤr?
Hier konnte man wohl mit Recht
als ob und
ja wohl
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Wenn ich noch mit einem Pauſch und
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/260>, abgerufen am 28.11.2024.
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