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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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daß er mit drey Mann drey tausend schla-
gen könnte, so daß kein Gebein von ih-
nen auf dem andern bleiben solte, war ihm
Alexander nicht groß. Alexander nicht? Der
Professor sagte: an einem tapfern Tage, ge-
wiß hat ein preußischer Trompeter die Mau-
ren in Jericho zu Schanden geblasen. Unser
Reuter lächelte. Wissen Sie, Freund! fuhr
er fort, die Unterredung des großen Alexan-
ders mit dem Seeräuber, der sich so nahm,
als wären sie Kriegscammeraden. Der Reu-
ter lächelte. Als Alcibiades, sagte der Reu-
ter, erfuhr, daß die Athenienser ein Todes-
urtel über ihn ausgesprochen, sagt' er, laßt
uns ein Lebensurtel eröfnen, und dies Urtel
in Rechtskraft setzen. Alcibiades, lieber Pro-
fessor, zeigte, daß er lebte.

Der Professor schwieg, ohne zu lächeln.
Ich würde unserm Reuter, der wahrlich ein
deutscher Brief mit einer französischen Auf-
schrift war, die Verachtung des großen Ale-
xanders verziehen haben, obgleich Alexander
mein Verwandter war, und worden seyn, wie
er Einer, wenn nicht zu allem dem noch ein
Vademecum von Werbgeschichten gekommen
wäre, die der Reuter in Bereitschaft hatte,
und die mehr interessiren, als die im Druck

erschie-

daß er mit drey Mann drey tauſend ſchla-
gen koͤnnte, ſo daß kein Gebein von ih-
nen auf dem andern bleiben ſolte, war ihm
Alexander nicht groß. Alexander nicht? Der
Profeſſor ſagte: an einem tapfern Tage, ge-
wiß hat ein preußiſcher Trompeter die Mau-
ren in Jericho zu Schanden geblaſen. Unſer
Reuter laͤchelte. Wiſſen Sie, Freund! fuhr
er fort, die Unterredung des großen Alexan-
ders mit dem Seeraͤuber, der ſich ſo nahm,
als waͤren ſie Kriegscammeraden. Der Reu-
ter laͤchelte. Als Alcibiades, ſagte der Reu-
ter, erfuhr, daß die Athenienſer ein Todes-
urtel uͤber ihn ausgeſprochen, ſagt’ er, laßt
uns ein Lebensurtel eroͤfnen, und dies Urtel
in Rechtskraft ſetzen. Alcibiades, lieber Pro-
feſſor, zeigte, daß er lebte.

Der Profeſſor ſchwieg, ohne zu laͤcheln.
Ich wuͤrde unſerm Reuter, der wahrlich ein
deutſcher Brief mit einer franzoͤſiſchen Auf-
ſchrift war, die Verachtung des großen Ale-
xanders verziehen haben, obgleich Alexander
mein Verwandter war, und worden ſeyn, wie
er Einer, wenn nicht zu allem dem noch ein
Vademecum von Werbgeſchichten gekommen
waͤre, die der Reuter in Bereitſchaft hatte,
und die mehr intereſſiren, als die im Druck

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[322/0328] daß er mit drey Mann drey tauſend ſchla- gen koͤnnte, ſo daß kein Gebein von ih- nen auf dem andern bleiben ſolte, war ihm Alexander nicht groß. Alexander nicht? Der Profeſſor ſagte: an einem tapfern Tage, ge- wiß hat ein preußiſcher Trompeter die Mau- ren in Jericho zu Schanden geblaſen. Unſer Reuter laͤchelte. Wiſſen Sie, Freund! fuhr er fort, die Unterredung des großen Alexan- ders mit dem Seeraͤuber, der ſich ſo nahm, als waͤren ſie Kriegscammeraden. Der Reu- ter laͤchelte. Als Alcibiades, ſagte der Reu- ter, erfuhr, daß die Athenienſer ein Todes- urtel uͤber ihn ausgeſprochen, ſagt’ er, laßt uns ein Lebensurtel eroͤfnen, und dies Urtel in Rechtskraft ſetzen. Alcibiades, lieber Pro- feſſor, zeigte, daß er lebte. Der Profeſſor ſchwieg, ohne zu laͤcheln. Ich wuͤrde unſerm Reuter, der wahrlich ein deutſcher Brief mit einer franzoͤſiſchen Auf- ſchrift war, die Verachtung des großen Ale- xanders verziehen haben, obgleich Alexander mein Verwandter war, und worden ſeyn, wie er Einer, wenn nicht zu allem dem noch ein Vademecum von Werbgeſchichten gekommen waͤre, die der Reuter in Bereitſchaft hatte, und die mehr intereſſiren, als die im Druck erſchie-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/328>, abgerufen am 25.11.2024.