gerettet hätte. Edler Mensch, sagt' ihm der Gerettete, was bin ich schuldig? -- Nichts, erwiederte er. Ein Tuch wenigstens zum Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet, als von der Sonne; so sey mein Freund! -- Hier lies sich der Retter bewegen, dem Ge- retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen. Edler Mensch! wo gehst du hin?
Bey großen Handlungen ist kein Stand merklich. Man sieht den Menschen nicht vor der That. Jezt, da beyde unter Dach waren, sah der Officier, daß die Seele seines Lebens- verehrers weit über dessen Stand wäre! -- Der Gerettete lies auftragen, was das Haus vermochte. Macht den Versuch, es kommt nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer zu seinen Gesinnungen in euren Händen! --
Der Officier so wenig zum Stimmen aufer- legt, daß er bis auf eine sehr kleine Cultur tief unter seinem Retter stand, verhielt sich herr- lich zu ihm. Man aß und trank, und ward, wie der Reuter sich ausdrückte, von innen so naß wie von außen. In diesem ausgelasse- nem Vergnügen nöthigte der Officier seinem Erretter ein Versprechen ab, das so gleich durch eine rothe Binde in Rechtskraft gesetzt
ward.
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gerettet haͤtte. Edler Menſch, ſagt’ ihm der Gerettete, was bin ich ſchuldig? — Nichts, erwiederte er. Ein Tuch wenigſtens zum Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet, als von der Sonne; ſo ſey mein Freund! — Hier lies ſich der Retter bewegen, dem Ge- retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen. Edler Menſch! wo gehſt du hin?
Bey großen Handlungen iſt kein Stand merklich. Man ſieht den Menſchen nicht vor der That. Jezt, da beyde unter Dach waren, ſah der Officier, daß die Seele ſeines Lebens- verehrers weit uͤber deſſen Stand waͤre! — Der Gerettete lies auftragen, was das Haus vermochte. Macht den Verſuch, es kommt nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer zu ſeinen Geſinnungen in euren Haͤnden! —
Der Officier ſo wenig zum Stimmen aufer- legt, daß er bis auf eine ſehr kleine Cultur tief unter ſeinem Retter ſtand, verhielt ſich herr- lich zu ihm. Man aß und trank, und ward, wie der Reuter ſich ausdruͤckte, von innen ſo naß wie von außen. In dieſem ausgelaſſe- nem Vergnuͤgen noͤthigte der Officier ſeinem Erretter ein Verſprechen ab, das ſo gleich durch eine rothe Binde in Rechtskraft geſetzt
ward.
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gerettet haͤtte. Edler Menſch, ſagt’ ihm der
Gerettete, was bin ich ſchuldig? — Nichts,
erwiederte er. Ein Tuch wenigſtens zum
Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet,
als von der Sonne; ſo ſey mein Freund! —
Hier lies ſich der Retter bewegen, dem Ge-
retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen.
Edler Menſch! wo gehſt du hin?
Bey großen Handlungen iſt kein Stand
merklich. Man ſieht den Menſchen nicht vor
der That. Jezt, da beyde unter Dach waren,
ſah der Officier, daß die Seele ſeines Lebens-
verehrers weit uͤber deſſen Stand waͤre! —
Der Gerettete lies auftragen, was das Haus
vermochte. Macht den Verſuch, es kommt
nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann
haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer
zu ſeinen Geſinnungen in euren Haͤnden! —
Der Officier ſo wenig zum Stimmen aufer-
legt, daß er bis auf eine ſehr kleine Cultur tief
unter ſeinem Retter ſtand, verhielt ſich herr-
lich zu ihm. Man aß und trank, und ward,
wie der Reuter ſich ausdruͤckte, von innen ſo
naß wie von außen. In dieſem ausgelaſſe-
nem Vergnuͤgen noͤthigte der Officier ſeinem
Erretter ein Verſprechen ab, das ſo gleich
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/331>, abgerufen am 24.11.2024.
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