ritzchen gegen Kriegsblitze? -- Zwar lebt jeder seines Lebens, zwar stirbt jeder seines Todes, jedem ist sein Pfund Leben und sein Pfund Tod zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengrä- ber sehr einsichtsvoll behauptet; doch glaub ich, daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver- graben, und mancher damit wuchern kann. Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge- bohrnen, ist er nicht der reichlichste? Er trägt tausendfältig und zwar Leben und Tod. Kaum lebt man, wenn man den Tod nicht in der Nachbarschaft hat. Die weisesten Leute ha- ben von je her Todesbetrachtungen für Lebens- regeln gehalten. Wo ist der Tod bey lebendi- gem Leibe dem Gesunden, dem Starken so nah, als im Kriege? --
Wo kann man an ihn mit mehr Leibes- und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr Weisen des Alterthums, und ihr der neuern Zeit, warum habt ihr nicht über Kriegstod geschrieben? -- Sie, hochgebohrner Todten- gräber, warum nicht über den Kriegstod eine Redübung angestelt? Weil der Krieg eine von den Künsten ist, welche die Menschen ge- sucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht sind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder Weise, im Privatkreise alles zum Guten lenkt,
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ritzchen gegen Kriegsblitze? — Zwar lebt jeder ſeines Lebens, zwar ſtirbt jeder ſeines Todes, jedem iſt ſein Pfund Leben und ſein Pfund Tod zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengraͤ- ber ſehr einſichtsvoll behauptet; doch glaub ich, daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver- graben, und mancher damit wuchern kann. Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge- bohrnen, iſt er nicht der reichlichſte? Er traͤgt tauſendfaͤltig und zwar Leben und Tod. Kaum lebt man, wenn man den Tod nicht in der Nachbarſchaft hat. Die weiſeſten Leute ha- ben von je her Todesbetrachtungen fuͤr Lebens- regeln gehalten. Wo iſt der Tod bey lebendi- gem Leibe dem Geſunden, dem Starken ſo nah, als im Kriege? —
Wo kann man an ihn mit mehr Leibes- und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr Weiſen des Alterthums, und ihr der neuern Zeit, warum habt ihr nicht uͤber Kriegstod geſchrieben? — Sie, hochgebohrner Todten- graͤber, warum nicht uͤber den Kriegstod eine Reduͤbung angeſtelt? Weil der Krieg eine von den Kuͤnſten iſt, welche die Menſchen ge- ſucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht ſind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder Weiſe, im Privatkreiſe alles zum Guten lenkt,
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ritzchen gegen Kriegsblitze? — Zwar lebt jeder
ſeines Lebens, zwar ſtirbt jeder ſeines Todes,
jedem iſt ſein Pfund Leben und ſein Pfund Tod
zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengraͤ-
ber ſehr einſichtsvoll behauptet; doch glaub ich,
daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver-
graben, und mancher damit wuchern kann.
Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge-
bohrnen, iſt er nicht der reichlichſte? Er traͤgt
tauſendfaͤltig und zwar Leben und Tod. Kaum
lebt man, wenn man den Tod nicht in der
Nachbarſchaft hat. Die weiſeſten Leute ha-
ben von je her Todesbetrachtungen fuͤr Lebens-
regeln gehalten. Wo iſt der Tod bey lebendi-
gem Leibe dem Geſunden, dem Starken ſo nah,
als im Kriege? —
Wo kann man an ihn mit mehr Leibes-
und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr
Weiſen des Alterthums, und ihr der neuern
Zeit, warum habt ihr nicht uͤber Kriegstod
geſchrieben? — Sie, hochgebohrner Todten-
graͤber, warum nicht uͤber den Kriegstod eine
Reduͤbung angeſtelt? Weil der Krieg eine
von den Kuͤnſten iſt, welche die Menſchen ge-
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ſind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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